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Drei Erden verschlissen

Am 28. Juli hat die Menschheit der Welt bereits die Ressourcen der Erde verbraucht, die für ein ganzes Jahr zur Verfügung stehen. Von nun an lebt die Erde den Rest des Jahres auf Pump. Ein „Klimasiegel“ ermutigt zum Umdenken. Von Jörg Trotzki.

Atomkrieg, Umweltzerstörung, Bevölkerungsexplosion sowie die Unfähigkeit der menschlichen Gesellschaft, darauf angemessen zu reagieren –, dies alles bedroht das Überleben der Menschheit. Diese Ängste sind nicht neu. Mitte der 1980er Jahre zeichnete der Berliner Arzt und Wissenschafts-Journalist Hoimar von Ditfurth in seinem Buch „So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen, es ist soweit!“ eine düstere Zukunft und die nahende Apokalypse.

Das Werk wurde zum Bestseller in einer Zeit der jungen „Grünen“, und in einer Zeit, in der die Weltbevölkerung auf die 5-Milliarden-Grenze zusteuerte. Heute – fast 40 Jahre danach – peilt die Menschheit die 8-Milliarden-Marke an. 2060 werden es – Schätzungen zufolge – 10 Milliarden Menschen sein.

Unsere Lebensweise frisst zu viele Ressourcen auf.
Gleichwohl war das Buch sehr umstritten, dem Autor wurde Fatalismus vorgeworfen; seine Sichtweise sei negativ und pessimistisch. Hoimar von Ditfurth war der Ansicht, wenn sich nichts ändert, blieben zwei Generationen bis zum „Overkill“ der Menschheit.

Nun, wir sind noch da. Die Probleme aber auch. Am 28. Juli dieses Jahres ist der „Welterschöpfungstag“ („Earth Overshoot Day“, „Erdüberlastungstag“) erreicht. Danach lebt die Menschheit auf Pump der Ressourcen unseres Planeten und auf Kosten der folgenden Generationen. Als das oben genannte Buch vor knapp 40 Jahren erschien, lag der „Welterschöpfungstag“ auf dem 4. November. Anfang der 1960er Jahre blieb von den Ressourcen sogar noch etwas „übrig“.

Es geht noch erschreckender: Deutschland hat seine ökologischen Ressourcen in diesem Jahr bereits am 4. Mai aufgebraucht. Unsere Lebensweise frisst aktuell also jährlich drei Erden auf. Da hineingerechnet sind nicht nur die individuelle Verschwendung von Essen und der individuelle Reiseverkehr. Auch Fakten wie diese spielen eine Rolle: Deutschland hat 2021 mehr als 700000 Tonnen Plastikmüll ins Ausland exportiert und 18 Millionen Tonnen Lebensmittel in den Müll versenkt. Corona hat im Übrigen nichts gebracht. Obwohl wir beispielsweise weniger oder gar nicht mehr geflogen sind –, unsere ganzjährige unbändige Lust auf Nackensteak und mollig warme Wohnungen im Winter belasten die Ressourcen der Erde ungebrochen.

Umkehren und neu beginnen.
Deutschland steht in dem Ranking übrigens derzeit auf Platz 37. Die USA haben den Overshoot Day schon am 13. März erreicht, und Katar – der Wüstenstaat, in dem dieses Jahr noch die Fußball-Weltmeisterschaft angepfiffen wird – hatte seine Ressourcen bereits am 10. Februar aufgebraucht.

Jetzt ist die Zeit gekommen, anders zu denken und anders zu handeln. Gerade Christinnen und Christen wissen: Jeder Tag ist ein Tag der Umkehr und der Neuorientierung. Ich kann jeden Tag neu beginnen und nach dem Paulus-Wort handeln: „Ihr seid neue Menschen geworden, die ständig erneuert werden“ (Kolosser 3,10 in evangelistischer Übersetzung).

Zossen-Fläming will „Fairer Kirchenkreis“ werden.
Der evangelische Kirchenkreis Zossen-Fläming wagt den Neubeginn und beteiligt sich seit Beginn der Adventszeit an der Aktion „Faire Gemeinde“ und strebt dabei das landeskirchliche Siegel „Fairer Kirchenkreis“ an. Dazu sagte die Superintendentin des Kirchenkreises Zossen-Fläming, Katrin Rudolph, dabei gehe es um vier Kriterien: bewusst konsumieren, nachhaltig wirtschaften, global denken und sozial handeln. Sie wisse natürlich, die „Faire Gemeinde“ sei kein ganz neuer Gedanke, betont Katrin Rudolph weiter, aber ein wieder aufgelebter Gedanke dank der Klimabewegung.

„Wir sind traurig, dass die Ziele des konziliaren Prozesses, der in den 1980er Jahren schon einmal sehr stark war in den Kirchengemeinden in Ost und in West, in den letzten Dekaden irgendwie verloren gegangen zu sein scheinen“, so die Superintendentin. Ganz andere Dinge hätten auf einmal obenauf gelegen, soziale Fragen zum Beispiel. Die Gesellschaft baute sich in den 1980er und 1990er Jahren um. Nachdem das Gleichgewicht zwischen Ost und West weggefallen war, habe man das Gefühl gehabt, dass lange Zeit ein Turbokapitalismus Fahrt aufgenommen habe.

Der Weg zum landeskirchlichen Siegel „Fairer Kirchenkreis“ sei beschwerlicher geworden, betont Katrin Rudolph. Doch auch Kirche müsse als Teil des gesamtgesellschaftlichen Wandels in eine nachhaltigere Zukunft mitgehen. Ihre Vorbildfunktion sei dabei von zentraler Bedeutung: „Zeigen Kirchengemeinden, dass es machbar ist nachhaltig zu leben, zu glauben und zu arbeiten, schaffen es auch andere. Der Kirchenkreis Zossen-Fläming ging mit gutem Beispiel voran. „Wir haben für den Beschluss in der Kreissynode mal so eine Art Kassensturz gemacht, um zu sehen, was es bei uns eigentlich schon gibt, wo wir schon auf dem richtigen Weg sind und um das Erreichte festzuhalten. Sei es, dass Stoffhandtücher statt Papiertücher oder nachhaltige Verpackungen beim Catering benutzt werden.

Das Ergebnis ist durchaus vorzeigbar. In der Superintendentur werden zertifizierter Ökostrom und fair gehandelter Kaffee genutzt. Bei Gremiensitzungen kommen Pfandgläser zum Einsatz und der Müll wird selbstverständlich getrennt. Der Kirchenkreis finanziert eine halbe Pfarrstelle für Diakonie und die Arbeit mit Geflüchteten. Und mit katholischen Partnergemeinden wird eine lebendige Ökumene gepflegt, berichtet die leitende Theologin.

Für die Kirchenkreise und die Kirchengemeinden der EKBO gilt übrigens seit dem vergangenen Jahr ein sehr anspruchsvolles Klimaschutzgesetz. Es bezieht sich zunächst auf den Gebäudebereich, da die Bewirtschaftung von Gebäuden die meisten Treibhausgase verursacht. Unter dem angestrebten Siegel selbst sollen umweltgerechte und soziale Maßnahmen gebündelt werden.

Das Umweltbüro berät.
Beate Corbach, Klimaschutzmanagerin der EKBO, berät dabei die Gemeinden nicht nur, sondern konzipiert auch Workshops, Ausflüge, Glaubenskurse und Schöpfungs-Gottesdienste. „Meist dreht sich dann die Predigt um das Thema der Schöpfungsbewahrung. Oft ist auch die Jugend stark involviert und trägt auf ihre Weise dazu bei, einen Gottesdienst zu gestalten - durch Musik, einen Bilder- oder Ausstellungsteil. Fazit aus diesem guten Beispiel: Wenn alle an dem gewünschten und notwendigen Umgestaltungsprozess beteiligt sind – nicht nur Christinnen und Christen – werden wir Apfelbäumchen um Apfelbäumchen pflanzen können und reiche Ernte haben.

Infoflyer, Checklisten und eienen GKR-Musterbeschluss zum Siegel „Faire Gemeinde“ finden sich auf der Internetseite vom Kirchlichen Entwicklungsdienst der EKBO im Internet unter https://www.berlinermissionswerk.de/kirchlicher-entwicklungsdienst/downloads.html

Letzte Änderung am: 11.04.2024