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Niemöller-Stiftung eröffnet kritischen Lernort zur Garnisonkirche

Die evangelische Kirche baut in Potsdam den Turm der früheren Garnisonkirche wieder auf. Kritiker werfen ihr mangelnde Auseinandersetzung mit der Geschichte der Kirche und des Bauprojekts vor. Nun haben sie dafür einen eigenen Lernort geschaffen.

Erst das Glockenspiel, dann der Rest: Die Initiative zum Nachbau des Glockenspiels der Potsdamer Garnisonkirche und wichtige Impulse zum Wiederaufbau der Kirche selbst kamen aus extrem rechten Kreisen der Bundeswehr in Westdeutschland. Mit einem Spendenaufruf in der Zeitschrift des "Verbands deutscher Soldaten" ging es 1984 los. Seit 2017 wird der Turm des 1945 zerstörten und 1968 abgerissenen Barockbaus tatsächlich wiedererrichtet, allerdings von der evangelischen Kirche. Neben der Turmbaustelle informiert nun ein kritischer Lernort über die Geschichte der Bauprojekts.

Die rund 50 Quadratmeter große Ausstellung im Kunst- und Kreativhaus Rechenzentrum bietet neben einer Chronologie auch 15 Thementafeln, die sich unter anderem mit den frühen Förderern des Wiederaufbaus aus Iserlohn befassen, sagte der Architekturexperte und frühere Direktor der Dessauer Bauhaus-Stiftung, Philipp Oswalt, zum Start des Lernorts am Freitag in Potsdam. Ein "Videobuch" stelle zudem Fernseh-Materialien zum Aufbauprojekt vor. Die Ausstellung wird am Samstagabend offiziell eröffnet.

Dort gibt es auch drei Aussichtspunkte auf Orte, die mit dem Wiederaufbau und der Geschichte der evangelischen Kirche in Potsdam verbunden sind. Die Ausstellung sei ein "Geschenk an die Stadt", um sich mit dem "schwierigen nationalen Erbe" der Garnisonkirche auseinanderzusetzen, sagte Gerd Bauz von der Martin-Niemöller-Stiftung. Der Lernort solle kontinuierlich über die Geschichte des Ortes aufklären und über die "oft verschwiegenen und verdrängten Dimensionen dieser Kirche sowie des Wiederaufbauprojekts informieren", hieß es.

Das Material für die Ausstellung sei über ein Jahr hinweg in einem Forschungsprojekt zusammengetragen worden, sagte Oswalt. Dafür seien unter anderem Unterlagen des Bundesarchivs, des Berliner Evangelischen Zentralarchivs (EZA) und Dokumente aus Medienarchiven des WDR und des RBB ausgewertet worden.
Bis heute werde im Zusammenhang mit der Garnisonkirche Geschichtsklitterung betrieben, sagte Bauz. So werde die Kirche immer wieder als Ort der Geschichte des Widerstands vom 20. Juli 1944 gegen Hitler reklamiert, "das ist Fake". Die Garnisonkirche sei von den Nazis nicht missbraucht worden, wie manchmal angemerkt werde, betonte Oswalt: "Sie war ein Ort der Täter." Sie sei ein "Traditionsort des Rechtsradikalismus" gewesen, sagte Bauz. Der Auseinandersetzung mit dieser Geschichte, die bei den Befürwortern zu kurz komme, diene der neue Lernort.

Im kommenden Jahr sei im "Lernort Garnisonkirche" eine Ausstellung über den evangelischen Theologen und späteren Bischof Otto Dibelius (1880-1967), den protestantischen Nationalismus und antidemokratische Traditionen in der evangelischen Kirche geplant, hieß es. 2022 soll eine kritische Betrachtung der Militäreliteregimenter der Semper-Talis-Tradition folgen. 2023 sollen die monarchische Dimension der Garnisonkirche und die Rolle der Hohenzollern zum Thema gemacht werden.

Der "Lernort Garnisonkirche" sei auch eine Mahnung an die Baustiftung, sich Diskussionen zu öffnen, und eine Einladung an Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit, sich mit Fragen rechtsradikaler Traditionen auseinanderzusetzen, sagte Bauz: "Wir sind gekommen, um zu bleiben."

(epd)
epd