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„Wir brauchen eine laute Absage an jede Form von Antisemitismus“

Bischof Christian Stäblein zum Leid in Israel und Gaza und dem Antisemitismus in Deutschland

Amet Bick: Viele Menschen sind solidarisch mit Israel, gerade nach dem brutalen Massaker der Hamas am 7. Oktober. Und gleichzeitig sehen sie jetzt jeden Tag das Leid der Zivilisten in Gaza. Manchmal zerreißt einen das ja fast, weil es schwer ist, da eine gute Haltung zu finden.  Was würden Sie diesen Menschen sagen wollen?

Bischof Christian Stäblein: Ja, das Leid der vielen Zivilisten in Gaza zerreißt einen, ist schwer auszuhalten. Gerade die Lage in den Krankenhäusern in Gaza. Es ist schrecklich zu sehen und zu hören, wie ausgerechnet Orte, an denen Menschen geholfen werden soll, zu Orten kriegerischer Auseinandersetzung werden. Allerdings: Es gilt die Verantwortlichen klar zu benennen. Die Verantwortung für die unmenschlichen Taten am 7. Oktober und in den Wochen danach liegt bei der terroristischen Hamas.  Sie nehmen die Zivilisten in Gaza in Geiselhaft. Sie nutzen die Krankenhäuser als Zentralen für ihr operatives Vorgehen. Und sie halten noch immer 240 Menschen aus Israel bei sich verschleppt. Das Leid dieser Geiseln geht mir und vielen anderen nicht aus dem Kopf, Geiselnahme ist eine zutiefst menschenverachtende Form des Terrors. Insofern ist ganz klar: Es gibt und darf kein Aufrechnen des Leides geben. Leiden und Sterben auf beiden Seiten tun entsetzlich weh und berühren uns. Allerdings gibt es verschiedene Stufen in der Verantwortung. Das darf nicht in Ja, aber-Debatten verwischt werden.

Amet Bick: Der Antisemitismus in Deutschland nimmt auf erschreckende Weise zu. Es gibt Übergriffe, Schmierereien, Hass im Netz. Jüdinnen und Juden fürchten in Deutschland wieder um ihre Sicherheit. Wie kann man jetzt als Einzelner zeigen, dass man jüdisches Leben schützen will? Und wie können wir auch als Kirche an der Seite von Jüdinnen und Juden stehen?

Bischof Christian Stäblein: Das ist etwas, was mich in besonderer Weise bedrückt. Wir haben gerade das Gedenken an die Novemberpogrome vor 85 Jahren miteinander begangen. Dass in unserem Land Jüdinnen und Juden wieder Angst haben müssen, dass Sie angegriffen werden und es eine Hetze gegen sie gibt, können und dürfen wir nicht hinnehmen. Jüdinnen und Juden müssen bei uns sicher leben können, ohne Wenn und Aber. Ich weiß, dass das schon vor dem 7.10. ein nicht geringes Problem war. Es gibt verschiedene Antisemitismen bei uns, leider, von rechts, von links und einen über den Islamismus importierten. Das Schlimme ist: Am Ende ist es immer Antisemitismus. Dagegen müssen wir angehen. Zum einen mit Bildungsarbeit, gerade an Schulen, es braucht Prävention durch gute Bildungsarbeit. Zum anderen brauchen wir immer wieder deutliche Zeichen, eine wirklich laute, öffentliche Absage an jede Form von Antisemitismus. Mit Andachten. Mit Besuchen. Mit öffentlichen Zeichen. Das ist gewiss nicht viel, aber das Mindeste, was wir tun können. Antisemitismus und christlicher Glaube sind unvereinbar, absolut unvereinbar. Und jeder und jede Einzelne kann da, wo sie ist, gegen Antisemitismus eintreten. Mit Gesprächen. Mit Dagegen-reden, wenn antijüdische Äußerungen getan werden. Und mit guten Gedanken und Gebeten. 

Amet Bick: Die Ereignisse in Israel und Gaza sind noch mal eine neue Dimension des Schreckens und der Gewalt in einer sowieso sehr krisenhaften Welt. Manchmal hält man es inzwischen ja kaum noch aus, Nachrichten zu sehen. Geht es Ihnen auch so? Und gibt es etwas, dass Sie dann stärkt und tröstet?

Bischof Christian Stäblein: Das geht mir auch so, ja. Und es darf auch nicht der Eindruck entstehen, wir würden die Menschen in der Ukraine darüber vergessen. Das dürfen wir nicht. Die Rede von den multiplen Krisen wird auf bedrückende Weise wahr. Was stärkt? Das Gebet, der Zuspruch Gottes im Miteinander, gerade auch in gemeinsamen Andachten, wie sie an vielen Stellen in unserer Landeskirche stattfinden. Gerade jetzt gilt es zu stärken und, wo möglich, zu helfen. Etwa durch Spenden, durch Besuche, durch gute Worte füreinander.