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Marion Gardei: "Die eigenen blinden Flecken sichtbar machen"

Antisemitismus-Beauftragte der EKBO fordert weitere Aufarbeitung antijüdischer Traditionen im Christentum

Relief an der Stadtkirche in Lutherstadt Wittenberg
Relief an der Stadtkirche in Lutherstadt Wittenberg
Porträt
Marion Gardei, seit Januar 2021 EKBO-Beauftragte für jüdisches Leben und für den Kampf gegen Antisemitismus

Berlin (epd). Die Antisemitismus-Beauftragte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Marion Gardei, hat eine weitere Aufarbeitung antijüdischer Traditionen im Christentum angemahnt. Zum Jahrestag der Reichspogromnacht sagte Gardei, die Kirche habe am 9. November 1938 ihre Stimme nicht erhoben, „abgesehen von einigen Ausnahmen“. Umso wichtiger sei es, diesen Tag heute nicht zu vergessen und der Opfer zu gedenken.

In der Kirchengeschichte sei es bis in die Gegenwart damit weitergegangen, dass christlicher Glaube „vor der Negativfolie des Jüdischen“ dargestellt worden sei, sagte sie in einem Doppelinterview mit dem thüringischen Landesrabbiner Alexander Nachama in der Berliner Wochenzeitung „Die Kirche“ (Ausgabe 7. November). So seien Juden unter Generalverdacht gestellt worden. Sie seien mit aberwitzigen Unterstellungen wie Hostienschändung, Gottesmord und Brunnenvergiftung in Verbindung gebracht worden.

„Wir haben das als Kirche überwunden“, sagte Gardei weiter. Kulturhistorische Relikte wie Judensauen und andere Darstellungen in christlichen Kirchen seien jedoch noch heute ein Zeichen, „dass wir überhaupt noch nicht fertig sind mit der Aufarbeitung“. Als Antisemitismus-Beauftragte wolle sie die eigenen blinden Flecken sichtbar machen. Überdies hätten der politische Antisemitismus und der christliche Antijudaismus eine größere Schnittmenge als angenommen.

Nachama betonte im Gespräch mit Gardei, jegliche antisemitische Tendenz auch im eigenen Umfeld müsse angesprochen werden. Jeder sei aufgefordert, hinzuhören, nicht wegzuhören, etwas zu unternehmen, nicht zu verdrängen, mahnte der thüringische Landesrabbiner.

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Zum Interview in "Die Kirche"

Der nächste Online-Dialog im Rahmen von "#beziehungsweise jüdsich trifft christlich" findet statt am Mittwoch, 17. November,  19 Uhr zum Thema: erinnern für die Zukunft: Sachor beziehungsweise 9. November. Gäste sind diesmal Pfarrerin Marion Gardei, Beauftragte der EKBO für Erinnerungskultur  und gegen Antisemitismus, und der Thüringische Landesrabbiner Alexander Nachama aus Erfurt. Es moderiert Esther Hirsch, Kantorin in der Berliner Synagoge Sukkat Schalom und theologische Referentin im House of One. Mehr Informationen gibt es hier.