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Predigt von Bischof Christian Stäblein zur Einweihung der Nagelkreuzkapelle in Potsdam

Zu Lukas, 1. Kapitel, Vers 79: Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.

Liebe Gemeinde am heutigen zweiten Ostertag, gegangen wird ja fast immer im Leben. Deshalb gilt: Auf die Richtung kommt es an. Das Leitwort für diesen Ort, das hier am Kirchturmsockel eingeschrieben, man kann ruhig sagen: in Stein gemeißelt ist, und das nun auch über der Predigt steht, ist also entscheidend: Auf die Richtung kommt es an. Deshalb gibt es Kapellen – überhaupt –, und deshalb gibt es diese Kapelle an diesem besonderen Ort: um sich der richtigen Richtung immer wieder zu vergewissern, um sie sich zeigen, sagen, ins Herz legen zu lassen, eben die eine Richtung, die die Gottes ist: richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.

Klar, schwer genug manchmal, zu wissen wie dieser Weg verläuft, muss man drüber diskutieren, soll man ruhig heftig streiten und es sich wieder und wieder nicht zu leicht machen, wenn es um das Für und Wider welcher Unterstützung auch immer – Gebete, humanitäre Hilfe, diplomatische Initiativen, Waffen zur Verteidigung – für die Ukraine geht, soll man gerade auch im Licht von Gottes Wort und Gebot drum ringen, unbedingt.

Der Weg des Friedens, der Weg, wie wir für Menschen da, die in Not sind, angegriffen, dem Morden ausgesetzt, der Weg liegt, so gerne wird das hätten, nicht einfach so da. Es gilt ihn miteinander zu erringen – im Licht von Gottes Wort. Es gibt keinen anderen Weg, jedenfalls nicht, wenn man eine Kapelle einweiht, zumal hier.

Hier, wo so sehr in die Irre gegangen wurde und viel mehr als das noch. Hier, wo auch, wir wissen das, viel zu viel und auf furchtbare Weise dem Unfrieden, einer Herrlichkeit des Krieges, einem Unterdrücken, einem Sich überheben, einem Ausgrenzen und einem massenhaften Töten das Wort geredet, ja sogar Segen gegeben wurde. Hier wird noch mal so richtig klar, was es heißt, dass es auf die Richtung ankommt. Und wie unerträglich es wird, wenn die verkehrte, die entgegengesetzte Richtung eingeschlagen, das auch noch in Gottes Namen. Wie willst Du das wieder loswerden?! Das geht nicht weg, schon gar nicht mit verdrängen. Unsere Aufgabe ist und bleibt, es kritisch aufzuarbeiten, die eigene Geschichte, immer wieder kritisch angucken, aufarbeiten, selbstverständlich, nur so gibt es Leben.

Dazu gehören dann die Worte, die in diesem Raum und auch in Zukunft gerade hier gesprochen werden. Gegen alles Völkische. Gegen alles Menschenfeindliche. Gegen alles Rechtsextreme. Die Töne, die diese neue Orgel spielen wird, bringen die Lebensmelodien zum Klingen, auch gegen alle falschen Hass- und Triumphmarschphantasien. Die Töne dieser Orgel können nur Friedenslieder, Aussöhnungsbitten, das, was in Gottes Raum gehört.

Dafür stehen wir alle mit unseren Namen, alle, die hier miteinander arbeiten, fördern, neu ausrichten. Es ist ein neues Innenleben, es ist eine neue Orgel. Und es gilt nur eine Richtung: auf Gottes Weg des Friedens, dahin die Füße, von da unsere Spur. Der doppelte Sinn einer jeden Kapelle und erst recht dieser ist der: Gottes Richtung und unsere stete Umkehr. 

Liebe Gemeinde, gesprochen wird fast immer im Leben. Deshalb gilt: Es kommt schon sehr darauf an, was. Und dabei auch, wer. In jenem Vers, der hier Fundament und Sockel rahmt, spricht Zacharias, er preist Gott für die Geburt seines Sohnes, dieser ist Johannes, der Täufer genannt wird, der, der auf Jesus hinweisen wird, der, der sagt, ich bin’s nicht selbst, auf den ihr wartet, ich weise nur – was heißt da nur – ich weise nur hin auf Christus. Der bringt den Frieden. Der ist der Frieden. Weil er der Welt genommen hat, was sie vom lebendigen Leben trennt, voneinander trennt. Das feiern wir ja mit diesem Fest. Im Gefolge des Johannes ist zu sagen: Ich bin’s nicht, wir sind’s nicht, die Frieden und Versöhnung mal eben einfach so machen können als wäre es so mal eben. Da braucht es viel Wegweisen, viel Erinnerungsarbeit, da geht es um Bildung, Bildungswege mit Jugendlichen beschreiten, mit Erwachsenen. Das ist die Hauptsache hier: Wegweisen, oft genug auch dadurch, dass wir von uns wegweisen, dass wir nicht meinen, wir hätten alles, wüssten alles. Offene, ehrliche, kritisch Bildungsarbeit, ein Ort zum Demokratie lernen, zum Beteiligen, gerade hier, wo die Demokratie verraten wurde, ein Ort für Frieden lernen, zum Beteiligen, wo, wenn nicht hier, wo man noch spüren kann, was es heißt, wenn der Frieden mit Füßen getreten wurde, wieder und wieder. Dafür braucht es Raum.

Deshalb ist es eine Nagelkreuzkapelle, in der Gemeinschaft derer, die Versöhnung nach dem Krieg suchen. Ein Raum mit Johannes-Gesten also, ein weg weisen, weg ziehen von allem, was Menschen demütigt, kaputt macht, nicht nur im Großen, auch im Kleinen, das vor Gott so sehr zählt, Gott achtet das Kleine. Einen Weg weisen so für das, was dem Nächsten, der Nächsten hilft. Jede Kapelle ist so ein Wegweiser, jeder Kirchturm steht für nichts anderes – das ist der berühmte Fingerzeig, des Himmels oder Gottes, für den ein Kirchturm steht. Sonst braucht es ihn nicht. Für Traditionswacht ist keine Kapelle da.

Gesprochen wird fast immer im Leben. Deshalb gilt: Es ist entscheidend, was. Auf die Sprache kommt es an, wie wir reden. Fünf Sprachen stehen am Sockel. Englisch, französisch, polnisch, russisch, also kyrillisch. Und deutsch. Sie stehen stellvertretend. Sie mahnen weit über den Zusammenhang von Stadt und Land – was man hier oben so wunderbar wird überblicken und sehen kann – weit darüber hinaus mahnen sie: Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.

Manchmal gibt es ein Wort mehr, man weiß nicht, woher. Zumindest werden diese Worte bei Lukas oft mit einem vorlaufenden Und wieder gegeben. Und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens. Und. Zeigt an, dass schon manches vorher gesagt war. Zeigt auch an, dass etwas verbunden werden soll. Ich sage ihnen offen, dieses Und steht an der Stelle gar nicht im griechischen Urtext. Es ist sozusagen ein wirkliches Zubrot. Und. Die Verbindungskonjunktion schlechthin. Jede Kapelle will etwas verbinden. Menschen miteinander, Menschen mit Gott, irgendwie Himmel und Erde. Naja, das ist viel, viel Wille, viel Anspruch. Kann man daran scheitern. Eines will ich dennoch versprechen: die Kapelle dieses Turms, die so neu und anders ist, so angemessen und im besten Sinne schlicht, so offen, so klar dadurch in dem, was hier nie seinen Platz haben wird, diese Kapelle will am Ende verbinden. Dazu lädt sie die Menschen ein, in diesen Raum zu kommen: Gottes Wort zu suchen, die Töne der Orgel zu finden und dabei jene Worte, die das füreinander stärken. Jede Kapelle sucht das Und. Die offene Zukunft. Den Auferstanden. Gottes Kommen. Das zu suchen gibt es Kapellen. Und.  

Und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens. Geschrieben ist ja viel. Über Richtungen lässt sich viel Reden. Am Ende ist entscheidend, dass man es übersetzt, ins Leben zieht, spürbar macht, in Bildung erlebt. Dafür steht dieser Ort, diese Kapelle, in der wieder werden soll, wofür eine Kapelle immer war. Die Richtung geben lassen. Hier wurde bis in die 60er Jahre auch ausgehalten, widerstanden, den Herrschenden getrotzt aus dem Geist von Gottes Wort. War sie für anderes, war es falsch. Und dafür steht dieser Ort, diese Kapelle, dass sie wird, was hier noch nie war: Ein Bildungs-, ein Lernort für Frieden und Demokratie, ein morgen, also wahrlich nichts für ewig gestrige.

Ein Zukunftsort, weil er die Vergangenheit nicht verdrängt. Weil er auf Gottes Erinnern und Erbarmen setzt. Und weil er im Namen Gottes die Geister unterscheidet. Dazu wollen Kapellen Raum geben und diese in diesem Turm in ihrer eigenen, besonderen Weise. Die Geister unters scheiden. Und von Gottes Geist neu ausrichten lassen. Widmen wir den Ort hierfür in Gottes Namen. Amen.

 

Fürbittengebet:

Kingreen
Halleluja. Heute feiern wir mit dem Auferstandenen.
Er ist in unserer Mitte. Ihn bitten wir.

Schulze:
Wir bitten
um Frieden an diesem Ort. um gelingenden Dialog.
um wohlwollenden Perspektivwechsel.

Geywitz:
Wir bitten um Frieden in seiner Kirche.
um Kraft für die nötigen Veränderungen.
um Mut Neues zu wagen.

Zädow:
Wir bitten um Frieden in unserer Gesellschaft.
um die Fähigkeit zur Differenzierung.
um das Aushalten verschiedener Meinungen.

Stäblein:
Wir bitten um Frieden in unserer Welt
um Gerechtigkeit für die Verfolgten.
um Hoffnung für die von Krieg und Gewalt umringten.

Schuegraf:
Wir bitten um Frieden zwischen den Menschen.
um Vergebung unseres Versagens.
um Heilung der tiefen Wunden.

Kingreen:
Du Auferstandener. Bleibe bei uns und segne uns
heute, morgen und alle Tage.

Amen.

Alles weitere, was uns im Herzen und Kopf bewegt, hörst Du wenn wir gemeinsam beten:
Vaterunser im Himmel…