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Osterbrief von Bischof Christian Stäblein

"Und halten wir miteinander aus, halten wir einander. Gerne auch singend."

Liebe Freundinnen und Freunde des Glaubens, liebe Zweifelnde und Suchende,

auf alten Darstellungen von der Auferstehung steht Jesus im Grab mit einer Fahne. Meist ist auf ihr ein rotes Kreuz. Es ist das Zeichen des Sieges über den Tod. Ich mag Fahnen und fand diese immer besonders. Jesus schwingt die Fahne des Lebens mitten im Grab. Das ist Ostern.

Wie können wir davon reden in einer Zeit der vielen, der übervielen Gräber? Und ich höre dieses Wie nicht nur als Frage nach der Form oder einer guten Methode. Es ist eine Frage nach dem Wie überhaupt. Wie können wir, wie können wir nur?! Die Reali-tät des Todes steht uns als Menschen vor Augen, nicht nur in diesen Monaten. Das Wort  Zeitenwende, viel beschworen schon, ist seit zwei Jahren noch mal anders zu erspüren, die Namen dafür immer im Hinterkopf: Cherson. Awdijiwka. Und auch Re’im mit dem Festival Supernova. Und Kfar Asa. Und Gaza. Rafah. Der Tod und das Morden sind in dieses Leben eingebrochen, anders als wir es uns vorher vorstellen konnten.

Zur Zeitenwende gehört auch das Ringen um unsere Demokratie, das Kämpfen gegen Antisemitismus, die Anstrengungen für unsere Schöpfung, die Nachwehen der Pandemie – sichtbar besonders in der Frage der Kinder und Jugendlichen, wo sie denn vorkamen. Wie hält es uns in all dem weiter zusammen, fragen viele.

Denn ja: Seht die geschundene Kreatur, die geschundene Schöpfung, die Stille der Gräber. Wie können wir da von Ostern reden, von Auferstehung, wie können wir da das Fähnlein mit dem Kreuz ausrollen? Manch einer wittert Verdrängung, wenn wir, wenn ich bald und fröhlich in die Osterlieder einstimme. Auf, auf, mein Herz mit Freuden? Auch in mir nagt immer wieder Zweifel an all dem, worauf ich so fest vertrauen möchte, will. Schließlich: Was hilft es, das eine gleichsam neben das andere zu stellen, Ostern zu behaupten, eben bloß das womöglich.

Weshalb das Kreuz auf der Fahne nicht fehlt, nicht fehlen darf. Gottes Wort ist nicht bloß behauptet, es dient auch nicht dem Wegdrängen der Wirklichkeit. Gottes Macht stellt sich mitten im Bleiben bei den Geschundenen ein, mitten im Mitgehen bis in den Tod. Da durch. Da ist er durch für uns, für alle. Das scheint nicht möglich, aber ist wirklich, wirklich geworden. Sachte versuche ich mit dieser Fahne zu winken. Auch, weil es keine schönere, keine mächtigere geben kann, ja gibt.

In Zeitenwenden und auch in großen Umbrüchen der Kirche sind Sie, liebe Geschwister, in den Gemeinden und an so vielen Orten für die Menschen da. Das ist gut. Sie sind, wie es im Petrusbrief heißt, die lebendigen Steine, auf die andere sich immer wieder stützen können. Einander lebendige Steine statt Ruinen. Ich danke Ihnen dafür sehr. So feiern wir auch in diesen Tagen Ostern, selbstverständlich. Nur wer Kraft bekommt, kann auch welche geben. Mag sein, dass uns das Auferstehungsfähnlein dabei ziemlich zerzaust  vorkommt. Aber auch, ja gerade in diesen Zeiten freue ich mich auf Ostern. Karfreitag hält Jesus mit uns aus. Und hält so fest, dass das Ende gut sein wird. Das Ende war ja schon, vor knapp 2000 Jahren. Nun sei Leben. Halten wir daran fest. Lassen wir uns halten im Aushalten. Und halten wir miteinander aus, halten wir einander. Gerne auch singend.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Karfreitag und dann auch frohe Ostern!

Ihr Christian Stäblein