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Demonstration “Demokratie verteidigen” von Fridays for Future Berlin am Sonntag, 14. Januar 2024, ab 14:00 Uhr auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor

Redebeitrag Harald Geywitz, Präses der Landessynode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO)

Alles, was ihr tut, das geschehe in Liebe.

Keine Angst, es wird keine Predigt, auch wenn ich heute als Vertreter der Evangelischen Kirche sprechen darf. Aber viele Christen beginnen ihren Tag mit einem Bibelwort, und das Wort von der Liebe, in der alles geschehen soll, ist sogar unser Jahresmotto. Worum geht es heute? Demokratie verteidigen und #ausliebe dem Hass entgegentreten. Darum sind wir heute alle hier.

Wir sind gemeinsam hier, auch wenn uns sonst vieles trennen mag. Wir haben ganz bestimmt sehr unterschiedliche Meinungen zu allen möglichen Themen, sogar gegensätzliche Positionen und ganz verschiedene Ansichten wie genau, welches Ziel zu erreichen ist. Alle Unterschiede machen die Demokratie lebendig und wir sollten sie respektieren. Aber es ist gut, so wie heute, innezuhalten und zu fragen: was verbindet uns? Was ist der gemeinsame Grund auf dem wir stehen?

Dazu gehört ganz sicher eins: die Würde jedes Menschen mit aller Kraft zu schützen. Das ist der Anspruch, der uns verbindet und der nicht bloßer Appell sein darf. Wir müssen jeder für sich, aber auch gemeinsam in unserer Gesellschaft dafür einstehen. Als Christ ist meine Motivation: ich erkenne im anderen Gottes Ebenbild – unabhängig vom Glauben oder nicht, wir sind alle Gottes Kinder. Und wer das anders sieht oder ablehnt, der hat bestimmt eigene, sehr gute Motive, für die Würde jedes Menschen einzustehen. Und das ist auch gut so.

Zu denjenigen, die Demokratie und Rechtsstaat aktiv bekämpfen, gehört die AfD in unheiliger Allianz mit Rechtsextremen. Das ist überhaupt nicht neu. Es ist die altbekannte Soße: Schuld sind aus deren Sicht immer die Anderen – die anders aussehen, die anders denken, die anders glauben, die anders leben. Ob nun „Ausländer raus“ gebrüllt wird oder man im feinen Ambiente von „Re-Migration“ schwadroniert – ich kann da keinen Unterschied erkennen. Gefährlich ist beides und unseren Widerstand hat es so oder so verdient. Widerstand von jedem einzelnen von uns und natürlich auch alle gemeinsam #ausliebe.

Manche ziehen heute eine Parallele zu 1933 und ich spüre das Unwohlsein selbst. Ich erkenne jedoch einen entscheidenden Unterschied. In Deutschland heute gibt es eine an Rechtsstaatlichkeit orientierte Verwaltung, Polizei, Justiz und ja, auch Kirchen. Das hat die AfD auch schon vor fünf Jahren erkannt und in ihrem Kirchenpapier die evangelische Kirche in Deutschland als besondere Gegnerin ausgemacht. Weil diese AfD nicht wahrhaben will, was tatsächlich so ist: die evangelische Kirche steht aus gutem biblischen Zeugnis ein für Weltoffenheit, den Blick für die Schwachen in unserer Gesellschaft und in der Welt und für die Bewahrung der Schöpfung. Das sind ureigene christliche Überzeugungen und von denen wird uns niemand abbringen.

Demokratie und Rechtsstaatlichkeit war beileibe nicht immer Sache unserer Kirche. Es begann zwar schon mit innerkirchlichen Wahlen im 19. Jahrhundert, aber der demokratischen Staat der Weimarer Republik wurde in großer Mehrheit abgelehnt. Es war ein mühsamer Lernprozess nach 1945, der uns abbrachte von dieser Sünde. In der DDR-Zeit fanden die einzig freien Wahlen in den Kirchen statt, verbunden mit dem Streben nach Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Weil wir es als Kirche so mühsam gelernt haben, sage ich heute umso entschiedener: Demokratie und Rechtsstaat sind für uns nicht verhandelbar und wer sie aktiv bekämpft, muss mit unserem Widerstand rechnen.

Wie soll dieser Widerstand aussehen von uns allen? Es wird vielstimmig über ein Parteiverbot diskutiert. Ich bin kein Verfassungsexperte und sehe keinen Mehrwert, eine weitere Stimme hinzuzufügen. Beachtenswert finde ich den Hinweis unseres Bundespräsidenten, dass ein Verbotsverfahren auf alle Fälle lange dauert. Für die Kommunal, Europa- und Landtagswahlen in diesem Jahr zu lange und so ist die Debatte über ein Verbot dafür nicht so wichtig. Es muss also darum gehen, in diesem Jahr wirksam zu werden. Bei allen Kommunalwahlen, den Europawahlen und den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Mein Aufruf lautet ganz einfach: lasst uns ins Gespräch kommen. Nicht nur hier mitten in Berlin, sondern an vielen Orten mit vielen Menschen. Wir brauchen Orte und Diskussionen, in denen Menschen erkennen können, worum es geht, wer da kandidiert und welche menschenverachtenden Positionen teilweise zur Wahl gestellt werden. Lasst uns in allen Organisationen, Kirchengemeinden, Vereinen oder anderen Gruppen vor Ort Gespräche anzetteln. Damit der Hass nicht gewinnt. - Alles, was ihr tut, das geschehe in Liebe.

Vielen Dank