Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Inhalt springen
InstagramRSSPrint

Auf neuen Wegen mit Noahs Arche

Kinderwelt "Anoha" des Jüdischen Museums Berlin wird Sonntag eröffnet

Nach mehr als dreijähriger Bauzeit öffnet das Jüdische Museum Berlin am Sonntag die Kinderwelt "Anoha" für sein junges Publikum, coronabedingt mit einjähriger Verspätung.

Berlin (epd). Eine riesige Holzkonstruktion von sieben Metern Höhe und 28 Metern Durchmesser steht im Zentrum der neuen Kinderwelt „Anoha“ des Jüdischen Museums Berlin. Der ringförmige Bau, der wie ein Raumschiff hier gelandet ist, hat als Vorbild die mesopotamische Arche. Ein zotteliger Orang-Utang hängt in einer Schaukel davor, gleich daneben ein lebensgroßer Eisbär mit einem Fell aus weißen Badezimmer-Vorlegern und einem Kopf, in den ein Schlitten eingearbeitet ist. Mit Seilen, die über Rollen an der Decke bewegt werden, können Kinder das große Tier auf die Arche schieben. Über eine Giraffenrutsche, die mit ihrem langen Hals in den Schiffsbauch hineinragt, können die Kinder kleinere Tiere selbst an Bord bringen.

Im Inneren der Arche lassen sich weitere animalische Skulpturen entdecken, insgesamt 150 Tiere sollen am Ende auf dem Schiff Platz finden. Alle Figuren sind Unikate, künstlerisch aus Alltagsgegenständen und Fundstücken gestaltet und animieren die Kinder zum Berühren, Herumklettern und sogar Musizieren.

Das Museum will junge Besucher im Alter von drei bis zwölf Jahren dazu einladen, die Welt der Arche Noah spielerisch zu erkunden und die biblische Geschichte weiterzuerzählen. Der Titel „Anoha“ ist ein Fantasiename, erfunden von den Mitgliedern des Kinderbeirat, der das Projekt begleitete. Es ist das erste jüdische Museum überhaupt, das sich explizit an seine jüngsten Besucher wendet. „Die Kinderwelt soll ein Ort der Begegnung von Religionen und Kulturen sein“, betont Hetty Berg, die Direktorin des Jüdischen Museums Berlin, „wir bieten für die Jüngsten einen Spiel- und Lernort und vernetzen uns noch stärker in unserem Kiez.“ Die Kinderwelt „Anoha“ mit ihren 2.700 Quadratmetern Fläche entstand in dreijähriger Bauzeit in der ehemaligen Blumengroßmarkthalle direkt gegenüber dem Stammhaus des Jüdischen Museums. Die Halle hatte der Architekt Daniel Libeskind bereits 2012 für die W. Michael Blumenthal Akademie als Lern- und Vermittlungsort umgebaut.

Der Eingang zur Kinderwelt befindet sich an der Seite des Gebäudes. Gleich der erste Raum stimmt auf die Geschichte ein: sinnflutartiger Regen, das Wasser steigt - die Strafe Gottes für die Verfehlungen der Menschen. Wasser wird hier über Taststationen und Geräusche sinnlich erfahrbar. Noah, der den Auftrag erhält, eine Arche zu bauen und von jeder Tierart ein Paar mitzunehmen, ist abwesend, die Kinder sind die Hauptakteure im Museum.

Der zentrale Raum wird von der Arche beherrscht. Sie dient als Metapher für Themen, die in dem Museum verhandelt werden: vom Zusammenleben in einer vielfältigen Gesellschaft bis hin zu Fragen von Klimaschutz und Nachhaltigkeit. All diese Themen, bekräftigt Museumsleiterin Ane Kleine-Engel, sind in der jüdischen Religion verankert: „Wenn wir die Frage stellen, wer darf auf der Arche mitfahren, dann können wir - kindgerecht - Fragen von Ausgrenzung, Antisemitismus und Rassismus vermitteln.“ Zugleich kommt die Geschichte der Arche in allen drei monotheistischen Religionen vor, doch die Interpretationen unterscheiden sich. Die Kinderwelt des Jüdischen Museums bietet die Lesart der Tora an, doch auch die Deutungen aus christlicher oder muslimischer Sicht können ohne Rangfolge hier erzählt werden. Ane Kleine-Engel: „Das ist auch ein ganz typischer jüdischer Umgang, beim Talmud geht es nicht darum, wer recht hat, sondern es kommen viele Gelehrte zu Wort, aus deren Aussagen sich die eigene Wahl treffen lässt.“

Mit Hilfe der Tiere lassen sich weitere Themen vermitteln: die Eselin mit ihren Ohren aus spitzen Damenschuhen oder auch das Einhorn mit seinem Horn aus einem Shisha-Rohr und dem Körper aus Motorradtankhüllen geben Einblicke in die jüdische Sagenwelt. Bedrohte Tierarten wie Eisbär, Orang-Utan und Elefant lenken den Blick auf Umweltprobleme und die Folgen menschlichen Handelns. Im Bauch der Arche lädt die Riesenschlange Anakonda zum Klettern ein und eröffnet neue Perspektiven, in einer Höhle geht es um nachtaktive Tiere und ihre Stimmen. Sensorische Elemente vermitteln, wie eine Fledermaus hört, ein Hamster fühlt oder eine Ratte riecht.

Die Kinderwelt ist konsequent nach dem von der US-amerikanischen Museumspädagogik entwickelten Prinzip „Hands on - Minds on“ gestaltet, lädt also zum Berühren und sinnlichen Erkunden ein und kommt ohne Texte oder Vitrinen aus. Der ringförmige Bau der Arche selbst wurde von dem amerikanischen Büro Olson Kundig Architecture and Design entworfen. Die Mitte ist freigehalten und bietet einen Raum für weitere museumspädagogische Angebote.

Die Entstehung der Kinderwelt des Jüdischen Museums begleitete ein Kinderbeirat mit Schülern aus sechs Berliner Grundschulen. Sie nahmen Einfluss auf die Gestaltung und stimmten auch für den Namen „Anoha“. Auch künftig will das Museum mit einem Kinderbeirat arbeiten, um begleitende Workshops zu entwickeln. Eine digitale interaktive Variante der Kinderwelt mit „talking animals“ soll später den Museumsbesuch ergänzen.

Info
Die Kinderwelt "Anoha" des Jüdischen Museums Berlin ist dienstags bis freitags von 9 bis 13 Uhr für Kita- und Schulgruppen sowie an den Wochenenden und feiertags von 10.30 bis 16 Uhr für Familien geöffnet.
www.anoha.de