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50 Jahre Olympiaseelsorge: Ökumenische Jubiläumsveranstaltung in München

Vom 7. und 8. Oktober 2022

„Olympiaseelsorge ist unverzichtbar“. Einmal mehr redete der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), Friedhelm Julius Beucher, Tacheles.  Der frühere Vorsitzende im Sportausschuss des Bundestages war neben Verena Bentele, der mehrfachen Paralympicsiegerin und ehemaligen Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, der bekannteste Vertreter bei der Veranstaltung in München. Sie wurde aus Anlass der 50-Jahr-Feier der Olympischen Spiele 1972 in der Pfarrei Frieden Christi ausgerichtet.    Den Grundstein für dieses absolut Neue in Bayern, eine evangelische und katholische Kirche unter einem Dach, hatten am 16. September 1970 der Münchner Kardinal Julius Döpfner und der bayrische evangelische Landesbischof Hermann Dietzfelbinger gelegt.  „Kirsten Bruhn, eine der erfolgreichsten Aktiven im deutschen Behindertensport, war dem Suizid näher als dem Leben“, so Beucher weiter.  1991, knapp über 20 Jahre alt, erlitt sie einen Motorradunfall.  Die Folge:  eine Querschnittslähmung mit Ausnahme der vorderen Oberschenkelmuskulatur. Natürlich hätten ihr damals die Familie geholfen, Trainer, Psychologen. Aber auch ein Pfarrer oder eine Seelsorgerin gehörten in diesen wichtigen Helferkreis, so der 76-Jährige.

Eine ähnliche Erfahrung hatten Thomas Apel und Michael Trummer, zwei im Wildwasser-Kanu erfolgreiche Bundestrainer, gemacht.  Beide waren 2016 in Rio dabei, als einer des Teams so schwer verunglückte, dass er seinen Verletzungen erlag:  Kanu-Trainer Stefan Henze (35) starb am 15. August den Folgen eines schweren Verkehrsunfalls durch ein Schädel-Hirn-Trauma. „Auf so etwas kann man nicht vorbereitet sein“, meinte Apel. „Wir waren alle sprach- und hilflos“.  Hilfreich sei es dann, wenn jemand einfach nur da sei, zuhöre.

„Olympiaseelsorger sind wie die Feuerwehr.  Sie, die Feuerwehr, wird selten gebraucht – aber es ist gut, dass sie da ist.“ Thomas Weber war und ist davon überzeugt, der derzeitige evangelische Olympiapfarrer.  Damit steht der Gemeindepfarrer aus Gevelsberg bei Hagen in einer langen Tradition, die international spätestens 1908 in London mit einem „Bischofs-Gottesdienst“ begann.  1920 zelebrierte Kardinal Mercier in Brüssel am Eröffnungstag einen Gottesdienst. Der Erzbischof von Tokio setzte 1964 eine eigene kirchliche Kommission für Dienste bei den Olympischen Spielen ein. Und in Mexiko gab es einen ökumenischen Eröffnungsgottesdienst. Thomas Weber verwies auf seine Rolle des Zuhörers: „Während Athleten, Trainer, Physiotherapeuten und Funktionäre unter einem enormen Leistungsdruck stehen, komme ich mir fast wie ein Olympia-Tourist vor. Ich habe zwar Pflichten wie Andachten oder Gottesdienste, bin ansonsten aber frei und völlig offen für die Probleme der Menschen.“ Lisa Keilmann, die Olympiabeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, und Christian Bode, der Paralympic-Beauftragte der EKD, sahen das ähnlich.

Das seelsorgerliche Angebot in München 1972 wurde geradezu generalstabsmäßig vorbereitet, vielleicht vergleichbar mit ökumenischen Kirchentagen.  Seelsorge fand im Ökumenischen Zentrum, im Olympischen Dorf, an den Sportstätten und im Pressezentrum statt. Vertreter aus dem Ausland wurden angeschrieben, wer Kontakte zu Sportlerinnen und Sportlern hatte. Und wer eine Akkreditierung seines NOK erhielt, war willkommen und durfte mitarbeiten.  Und noch etwas war anders als bei früheren Spielen: Der Kontakt wurde auch auf Verletzte ausgeweitet.

Überaus umfangreich war das Informationsmaterial in München. „Christen in Deutschland“ informierte auf 100 Seiten und in drei Sprachen über die kirchlichen Aktivitäten, diakonische, caritative und soziale Arbeit. Die Auflage: 10.000.  „Denk-Mal“ hieß ein Heft, das im ökumenischen Jugendlager Denkanstöße geben sollte. Es enthielt meditative Texte, vermutlich vergleichbar mit dem Heft „Mittendrin“, das die Olympiapfarrer heute mitnehmen und verteilen.  Außerdem gab es Mini-Pocket, ein 120 Seiten umfassendes Nachschlagewerk, welche Gottesdienste finden wo statt, wichtige Anschriften waren aufgeführt. Es gab ein Heft mit Texten und Liedern zum Gottesdienst.  Die Erstauflage betrug 50.000 Exemplare. In drei Sprachen waren verschiedene Texte und Lieder aufgeführt, die in Gottesdiensten verwendet werden konnten.  Natürlich verlief die Kommunikation zwischen katholischen und evangelischen Vertretern in den insgesamt neun Kommissionen nicht immer reibungslos, aber die Probleme wurden am Ende geklärt.

Weniger klar, eher ratlos waren die Teilnehmer*innen bei der Einschätzung, wie sinnvoll heute noch Olympische Spiele sind.  Auch die Rolle des IOC, dem mehr als 200 Nationale Olympische Komitees angehören, wurde eher skeptisch beurteilt.   Korruption und Doping, die nicht immer transparente Politik des IOC, der Missbrauch des Sports durch autoritäre Regime, zahlreiche Fragen wurden gestellt, aber letztlich nicht beantwortet.  Dabei hatte Bischof Stefan Oster, seit kurzem Sport-Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz, in seinem Grußwort den Blick auf die Schattenseiten der Zusammenarbeit von Kirche und Sport angemahnt.  Sexualisierte Gewalt z.B. gebe es nicht nur in den beiden großen Kirchen, natürlich auch im Sport. 

Intensiver die Schattenseiten zu beleuchten, dazu fehlte in München leider die Zeit.  Für die insgesamt nur etwa 50 Teilnehmer*innen war es trotzdem eine spannende und Gewinn bringende Veranstaltung.

Hanns Ostermann (Journalist, fr. Deutschlandradio)

Mitglied des Arbeitskreises Kirche und Sport der EKBO

 

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