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Was ist mit der Seele unserer Stadt?

B.Z. Kolumne 12. Januar 2023 Bischof Dr. Christian Stäblein

Vorgestern, am Dienstag, haben wir mit und für die Menschen in Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst in der St. Marien-Kirche Andacht gehalten. Es war mir ein Anliegen, deutlich zu sagen: wir sehen Euch, die ihr eure Kraft und euren Einsatz für Hilfe und Schutz gebt. Wir lassen Euch angesichts der Gewalt nicht allein. Es ist ja durch und durch widersinnig, dass Menschen, die Leben stärken und retten, angegriffen werden. Was wir Silvester erlebt haben, bestürzt mich und muss uns als Gesellschaft nachhaltig ins Denken bringen. Was ist mit der Seele unserer Stadt, unserem Land? Was löst diese Gewalt aus? Welche Ängste stehen dahinter? Die vorschnellen Antworten, das Lautmachen von Vorurteilen und angeblich einfachen Lösungen wird uns nicht weiter bringen. Es macht uns aus, dass wir differenziert schauen, dass wir uns den Blick in die Gesichter der Menschen nicht verstellen lassen. Wir brauchen eine ehrliche Debatte, ohne Scheuklappen. Und wir dürfen eben die Menschen, die dem gegenüber stehen – Einsatzkräfte, aber auch Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer, Sozialarbeiterinnen und –arbeiter nicht allein lassen. Hören wir sie. Sehen wir sie.  Die Losung, also das biblische Leitwort über diesem noch jungen Jahr 2023, lautet: Du bist ein Gott, der mich sieht. Wie passend, denke ich. Und versuche genau hinzuhören. Du. Mich. Gott sieht also auf die unverwechselbar Einzelnen, die Individuen. Gott sieht die Seele von dir und mir. Gott fragt und sucht, was wir brauchen, damit wir in Frieden miteinander leben können. Dazu gehört als erstes: dass wir uns sehen. Dass wir nicht über den anderen hinwegsehen. Dass wir Respekt füreinander haben. Respekt ist ein Wort aus dem Lateinischen, wörtlich übersetzt heißt es: Rückschauen. Ansehen. Gewalt nimmt Menschen auf schreckliche Weise ihr Ansehen. Die Andacht vorgestern in der Marienkirche hat den Menschen, die in der Silvesternacht angegriffen worden sind, den Respekt gegeben, der ihnen gebührt. Und er hat uns alle daran erinnert: Gott gibt uns Respekt. Er sieht uns an, dich und mich. Jeden und jede. Sein Respekt möge auch unseren Blick leiten in diesem Jahr.  

Letzte Änderung am: 28.02.2023