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Pfarrerin Corinna Zisselsberger im Interview zu Pop-Up Taufen

Aktuelles Interview vom 15. März 2023

Aufgrund vieler Nachfragen und Kritik zu diesem Thema sind wir mit Pfarrerin Corinna Zisselsberger noch einmal ins Gespräch gegangen. Hier können Sie das aktuelle Interview lesen.

Die Evangelische Kirchengemeinde St. Marien-Friedrichswerder bietet im „Jahr der Taufe“ der EKD an jedem letzten Mittwoch im Monat die Möglichkeit einer „Pop-Up-Taufe“ in der St. Marienkirche an. Pfarrerin Corinna Zisselsberger berichtet über die ersten Erfahrungen damit.

Manuela Schneider: Am Aschermittwoch wurde zum zweiten Mal die Pop-Up-Taufe in der St. Marienkirche angeboten. Haben sich Menschen taufen lassen?
Pfarrerin Corinna Zisselsberger: Ja, es haben sich drei Frauen taufen lassen. Zwei hatten mich vorher angerufen, eine kam ganz spontan. Alle drei haben seit Jahren und Jahrzehnten überlegt, sich taufen zu lassen, aber es brauchte dieses niedrigschwellige Angebot als Anstoß. Sie haben sich alle ernsthaft vorher mit dem christlichen Glauben beschäftigt. Die unkomplizierte Form am Mittag ohne vorherigen Kurs, großen Gottesdienst oder Familienfest hinterher hat sie angesprochen. Es war sehr berührend und mir ist wirklich Christus in diesen drei Frauen begegnet an diesem Mittag, in ihrer Ehrlichkeit und Offenheit. Ein Vorurteil ist ja, dass Menschen unüberlegt auftauchen, nicht wissen, worauf sie sich einlassen oder nicht ganz bei Trost sind. Dem kann ich eindeutig widersprechen.

Manuela Schneider: Was hat die drei Frauen bewegt, sich jetzt taufen zu lassen?
Pfarrerin Corinna Zisselsberger: Eine 19-jährige Rettungssanitäterin, die regelmäßig Krankentransporte begleitet, hat mir erzählt, dass sie bei den langen Fahrten mit Patient:innen ins Gespräch kommt, auch über Glauben. Und sie würde spüren, wenn Menschen an Gott glauben, weil diese eine große Liebe ausstrahlen würden. Sie war wirklich positiv überrascht, dass eine Pop-Up-Taufe in St. Marien möglich ist – so unkompliziert, kostenlos und offen. Eine andere Frau, die regelmäßig zu unseren Gottesdiensten kommt, hat Gott in der Vergangenheit in einer strengen muslimischen Tradition als strafenden Gott kennengelernt. Seit sie Christus kennt, hat sie Frieden gefunden, sagte sie. Und die dritte Frau hat sich von Gott in einer schweren Lebenskrise gehalten gefühlt – das war ein ganz warmes Gefühl, erzählte sie. Alle drei haben mir hinterher gesagt, dass für sie nun ein neues Leben angefangen hat. Besser kann doch die Taufe nicht zusammengefasst werden.

Manuela Schneider: Wie läuft die Pop-Up-Taufe ab?
Pfarrerin Corinna Zisselsberger: Mit allen Täuflingen habe ich eine halbe Stunde vor der Taufe gesprochen; darüber, warum sie sich taufen lassen möchten, was ihr Taufspruch ihnen bedeutet und auch, dass sie nun kirchensteuerpflichtig sind. Dann habe ich ihnen erklärt, was passiert und ihnen das Taufbecken gezeigt. Die Pop-Up-Taufe ist eingebettet in unser Mittagsgebet mit Abendmahl, sodass es Musik bzw. Gesang gibt, Lesungen, Gebete und ein gemeinsames Abendmahl nach der Taufe. Es ist wie ein Mini-Gottesdienst am Mittag, sehr spirituell. Es gibt Taufkerzen für alle Täuflinge und natürlich auch Urkunden. Und zum Mittaggebet kommen auch andere Menschen, nicht nur die Täuflinge. Die sind genauso bewegt.

Manuela Schneider: Kritiker:innen sagen, die Pop-Up-Taufe sei dem Sakrament gegenüber nicht angemessen. Wie begründet die Kirchengemeinde St. Marien-Friedrichswerder dieses Angebot?
Pfarrerin Corinna Zisselsberger: Unserer Auffassung nach ist die Pop-Up-Taufe sehr angemessen. Wenn wir in die Bibel schauen, sehen wir, dass die Taufe genauso entstanden ist: Johannes der Täufer hat am Jordan Menschen getauft, die ein neues Leben gesucht haben. Sie sind dort in der Wüste bei ihm aufgepoppt und er hat sie getauft, sehr unkompliziert, ohne Formulare oder langen Glaubenskurs, ganz lebendig und voller Gottvertrauen. Auch in der Anfangszeit des Christentums haben sich oft spontan viele Menschen taufen lassen, auf einen Impuls hin – ein Gespräch, eine Eingebung. Warum trauen wir heute dem Ritual so wenig zu und neigen dazu, es so stark zu regulieren? Wir haben doch als Kirche so viel Segen zu verschenken. Und wenn argumentiert wird, dass wir einen Bildungsauftrag haben, dann möchte ich die Sichtweise umdrehen: Vielleicht lerne ich, lernen wir viel mehr von den Menschen, denen wir bei einer Pop-Up-Taufe begegnen als sie umgekehrt von mir. Wir bieten ja auch weiterhin die gewohnten Formen an, sei es die Kindertaufe im Sonntagmorgengottesdienst oder die Erwachsenentaufe mit vorherigem Glaubenskurs. Die Pop-Up-Taufe ist eine Möglichkeit unter anderen.

Die nächste Pop-Up-Taufe findet am Mittwoch, 29. März, um 12 Uhr in der St. Marienkirche am Alexanderplatz (Karl-Liebknecht-Str. 8, 10178 Berlin) statt. Täuflinge sind gebeten, sich vorab telefonisch im Gemeindebüro zu melden oder mindestens eine halbe Stunde vorher, um 11.30 Uhr, in die Kirche zu kommen.