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Konsistorialpräsidentin Dr. Viola Vogel: Kirchliche Mittel nachhaltig einsetzen

Ein epd-Gespräch mit Yvonne Jennerjahn

Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz will die Folgen anhaltender Mitgliederverluste durch modernere Strukturen abmildern. Im Mittelpunkt müssten dabei Digitalisierung, Spezialisierung und Zentralisierung stehen, sagte Konsistorialpräsidentin Dr. Viola Vogel dem Evangelischen Pressedienst (epd).

epd: Die Mitgliederzahlen der evangelischen Kirche sinken seit Jahren, ein weiterer Rückgang wird erwartet. Was für Folgen hat das für die Landeskirche?

Dr. Viola Vogel: Wir haben pro Jahr etwa zwei bis drei Prozent Mitgliederverluste, in den vergangenen zehn Jahren von rund 1,04 Millionen Gemeindemitgliedern auf rund 834.000 am Jahresende 2022. Wir müssen deshalb die Kirche weiter umbauen. Wir haben zwar noch keine Einbrüche auf finanzieller Seite, die uns in Panik versetzen. Aber wir sind ja gehalten, mit unseren kirchlichen Geldern nachhaltig, effizient und vor allem vorausschauend umzugehen. Es wird deshalb in den kommenden zehn, zwanzig Jahren eine dauerhafte Aufgabe kirchenverwaltender Leitung bleiben, die Strukturen zu überdenken und immer hinter jeder Stelle zu fragen, ob wir uns die noch leisten können und ob wir sie wirklich brauchen. Wir müssen uns da immer fragen, ob damit unser Kernauftrag der evangelischen Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung erfüllt wird. Das ist nicht schön, weil niemand gerne rückbaut, aber das ist so. Vorausschauendes Verwaltungshandeln dient dazu, Kirche auch in der Zukunft zu ermöglichen. Und das hat wieder was Optimistisches, was uns als Christen ja kennzeichnet.

epd: Wie sollen die Folgen des Mitgliederrückgangs bewältigt werden?

Dr. Viola Vogel: Im Mittelpunkt dieser gesamten Strukturveränderung müssen Digitalisierung, Spezialisierung und Zentralisierung stehen. Die elektronische Akte, die wir einführen wollen, ist ein Projekt, die digitale Eingangsrechnung in den kirchlichen Verwaltungsämtern ein anderes. Ein weiteres sinnvolles Projekt, was wir in den letzten Jahren umgesetzt haben und weiter optimieren, ist ein funktionierendes landeskirchliches Intra- und Internet. Außerdem sollten Kleinstanstellungsverhältnisse, die es auch gibt, zukünftig so spezialisiert werden, dass da ganze attraktive Stellen draus werden. Auf deren Expertise können dann auch andere Funktionseinheiten in der Landeskirche zurückgreifen. Sinnvoll ist, dass nicht jede Kirchengemeinde und jeder Kirchenkreis alles macht, sondern dass gut ausgebildete Leute Fachwissen für die gesamte Landeskirche anbieten. Ein Erfahrungswert ist dabei, dass Digitalisierung erst einmal auch Personalaufwuchs bedeutet, bevor man dann irgendwann etwas spart und auch wieder Personal abbauen kann. Zuerst müssen verschiedene Prozesse landeskirchenweit vereinheitlicht werden. Und dazu braucht man Menschen, die gerne und gut im Dienst der Kirche arbeiten.

epd: In welchen Bereichen steht die Landeskirche vor besonders großen Herausforderungen?

Dr. Viola Vogel: Beim Gebäudebestand wird es in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ein enormes Umwälzungspotenzial geben, weil aufgrund der demografischen Entwicklung viele Kirchen einer diverseren Nutzung zugeführt werden müssen. Gleichzeitig sind wir auch aus denkmalschützerischen und kulturhistorischen Gründen gehalten, Bauwerke und auch Friedhöfe zu erhalten, zu finanzieren und die Baulasten aus unserem Budget zu tragen. Wir wollen das als protestantisch-christliche Gemeinschaft auch selbst. Aber viele kirchenhistorische Bauten und Gräber auf Friedhöfen sind auch für die gesamte Bevölkerung sehr bedeutsam, nicht nur für die Kirchenmitglieder. Da wünsche ich mir von den staatlichen Stellen ein noch größeres Bewusstsein, dass das immer stärker eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe wird. Unser evangelischer Anspruch ist, dass unsere kirchlichen Gebäude auch Nichtchristen zur Verfügung stehen sollen, sodass wir in die Gesellschaft hineinwirken, nicht nur in unseren eigenen Bereich. Und da sind wir natürlich dankbar für Kooperationspartner auch im säkularen Raum.

Ein anderes Feld, das die Landeskirche sehr beschäftigt, ist die Reduzierung der Zahl der rund 1.100 Kirchengemeinden. Es ist sinnvoll, da größere Einheiten zu schaffen, zum Beispiel durch Fusionen und Kooperationen der Kirchenkreise und Kirchengemeinden untereinander, sofern die Beteiligten aufeinander zugehen wollen, damit die Aufgaben besser bewältigt werden können. Konsistorium, Kirchenleitung und Synode haben hier die rechtlichen Grundlagen bereits geschaffen, und das wird gut angenommen.

epd: Wo kann aus Ihrer Sicht gespart werden?

Dr. Viola Vogel: Das muss immer im Einzelfall geprüft werden. Wenn gar nichts anderes möglich ist, werden wir auch kirchliche Gebäude verkaufen müssen. Grundsätzlich muss der Maßstab sein, dass unser Auftrag der Wortverkündigung und der Sakramentsverwaltung sicherzustellen ist, im Auftrag Jesu Christi. Das ist sozusagen die rote Linie. Was das dann konkret heißt an Projekten und kirchlichen Aufgaben, beschäftigt uns bereits jetzt ständig und unterliegt einer stetigen Dynamik. Jeder Mensch wird ihnen natürlich immer sagen, dass sein Aufgabenbereich unverzichtbar ist. Das ist in der Kirche so, das ist in der säkularen Welt ähnlich, wenn es um Sparzwänge geht. Wenn es erforderlich ist, muss man eine ehrliche Aufgabenkritik mit allem machen, was wir tun, und fragen, wem dient es. Das wird aber eine gesamtkirchliche Aufgabe sein, eventuell notwendige harte finanzielle Einschnitte auch gemeinsam mit allen kirchenleitenden Organen zu entscheiden und zu tragen. Wir sind aus konsistorialer Sicht auf jeden Fall aufgerufen, theologisch und juristisch so vorzudenken, dass wir den anderen kirchenleitenden Organen konsistente und mehrheitsfähige Vorschläge machen, um handlungsfähig zu bleiben.

epd: Wo könnte es neue Einnahmemöglichkeiten geben?

Dr. Viola Vogel: Das ist eine Frage von einem sehr wirtschaftlich ausgerichteten Blickwinkel aus. Deswegen erlauben Sie mir, vorab ganz grundsätzlich zu sagen: Es ist weder Sinn noch primärer Zweck kirchlichen Handelns, Geld zu erwirtschaften. Wir sind kein Wirtschaftsunternehmen, sondern eine protestantische, dem Evangelium verpflichtete und aus ihm lebende Religionsgemeinschaft in der weltlichen Form der Körperschaft des öffentlichen Rechts. Das Geld, das wir einnehmen, ist deshalb zunächst einmal auch nur Mittel zu diesem religiösen Zweck. Das Geld wird uns von unseren kirchlichen Mitgliedern anvertraut, um Menschen zu helfen und den Auftrag Jesu Christi in die Welt zu tragen. Gleichwohl sind wir natürlich gehalten, weil wir den Anspruch der öffentlichen religiösen Wortverkündigung haben, auch gewisse Geldmittel dafür zu generieren. Die Kirchensteuer ist einer unserer Hauptfinanzierungspfeiler, und da sind wir sehr dankbar dafür. Die Staatsleistungen sind ein anderer Pfeiler. Wir haben auch Vermögen und Geld, das wir anlegen, aber in einem eher konservativ-klassischen Sinne, um Resonanz- und Ermöglichungsstrukturen für Menschen zu schaffen. Das sind alles immaterielle Güter. Wenn Sie so wollen, dient das Geld dem christlichen Geist unserer Gemeinschaft, niemals andersherum.

epd: Wird die Landeskirche angesichts der weiter sinkenden Mitgliederzahlen auch in Zukunft Bestand haben - oder könnte ein Zusammenschluss mit einer anderen oder mehreren anderen Landeskirchen auf die Tagesordnung kommen?

Dr. Viola Vogel: Ich bin überzeugt, dass die Struktur der evangelischen Landeskirchen auch in Zukunft Bestand haben wird. Gespräche mit anderen Landeskirchen kann man natürlich immer führen. Flexibilität und Veränderungswille gehören schließlich zu den Grundkonstanten evangelischen Seins. Aber Überlegungen zu solchen Zusammenschlüssen stehen bei uns im Moment nicht an.

(epd)