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"Eine Art Brücke oder Verbindung"

Anne Heimendahl begleitet Erkrankte und Pflegende durch die Corona-Krise.

Anne Heimendahl, EKBO-Landesbeauftragte für Krankenhausseelsorge; Foto: EKBO
Anne Heimendahl, EKBO-Landesbeauftragte für Krankenhausseelsorge; Foto: EKBO

Die Coronavirus-Krise gilt mittlerweile als größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg. Das Gesundheitssystem und seine Krankenhäuser sind besonders betroffen. Die Seelsorger*innen in Krankenhäusern und Altenpflegeheimen begleiten Patient*innen und Mitarbeitende durch die Corona-Krise. Pfarrerin Anne Heimendahl, Landespfarrerin für die Krankenhaus- und
Altenpflegeheimseelsorge
, beauftragt für die fachliche Beratung der Seelsorgerinnen in den Krankenhäusern und den Altenpflegeheimen, erzählt im Gespräch mit ekbo.de, wie sie die Situation wahrnimmt.

ekbo.de: Wie ist die Situation/Lage in den Krankenhäusern aus Sicht der Seelsorge?

Anne Heimendahl: Grundsätzlich ist die Lage noch relativ ruhig. Auch wenn eine gewisse Spannung überall spürbar ist. Es herrscht quasi „Ruhe vor dem Sturm“, in der alle versuchen, sich gut vorzubereiten auf das, was noch kommen mag. Es beginnt schon damit, dass inzwischen vor allen Krankenhäusern Security oder Wachpersonal aufgestellt ist, von dem auch die Seelsorger*innen kontrolliert wird. Bald dürfen alle nur noch mit entsprechenden Dienstausweisen die Häuser betreten. In den Häusern sieht es so aus, dass  Stationen extra freigeräumt oder freigehalten werden und das medizinische Personal intensivmedizinisch geschult wird. Ein Kollege meinte, „man könnte meinen, dass das ganze Haus vibriere – in einer immer wieder durchscheinenden Panik vor dem „Ernstfall“, der jede Sekunde ja durch die Tür kommen könnte.“ Das medizinische Personal ist insgesamt natürlich belasteter. Sie machen sich selbst angesichts der Pandemie Sorgen, sind aber zuverlässig vor Ort und sehen sich fürs Ganze verantwortlich. Eine große Verunsicherung ist der Mangel an ausreichend Schutzkitteln und Atemschutzmasken. Hier ist das medizinische Personal besorgt. Die Patient*innen sind zum Teil beunruhigt angesichts der Gesamtsituation. Für sie ist es nicht ganz leicht, mit der eingeschränkten Besuchsregelung zurecht zu kommen, auch wenn sie großes Verständnis dafür zeigen. Sicherheit hat eben Vorrang. Die älteren Menschen leiden darunter so viel allein zu sein und sind verunsichert. Dadurch, dass es kaum noch Besucher*innen gibt, sind die Flure leer und ist die Stimmung eher bedrückt. Eine Kollegin meinte, sie und die Kollegen vermissten das Leben und die Betriebsamkeit auf den Fluren, sie vermissten die Ehrenamtlichen und auch, momentan keine Gottesdienste feiern zu können. Schön aber ist es, dass die meisten Seelsorger*innen noch einen freien Zugang zu den Patient*innen haben.

Wird die Seelsorge im Moment öfter gebraucht?

Anne Heimendahl: Entsprechend der momentanen Situation ist der Seelsorge- und Gesprächsbedarf sowohl bei Patient*innen als auch bei den Mitarbeiter*innen erhöht. Manche erzählen, dass der Bedarf bei dem medizinischen Personal sogar deutlich höher ist. Die Mitarbeiter*innen suchen vermehrt Gespräche, um ihre Ängste zu thematisieren oder, wie ein Kollege sagte: einfach einmal Dampf abzulassen. Bei den Patient*innen spielen Zukunftsängste eine große Rolle, die Sorge vor wirtschaftlicher Not oder die Frage, wie es weitergeht, wenn eine Ausgangssperre verhängt wird. Neu ist, dass sich vermehrt Menschen an die Seelsorger*innen wenden, die ihre Angehörigen momentan nicht besuchen können. Für diese schafft seelsorgerische Begleitung dann eine Art Brücke oder Verbindung.
Oftmals begegnet den Seelsorger*innen ein positives Staunen darüber, dass sie angesichts der gegenwärtigen Situation weiterhin „da“ sind. Anders gesagt, mit den Worten einer Kollegin: „Es ist einfach die Präsenz, die sehr wahrgenommen wird. Gott mit uns in persona meiner Wenigkeit“.
Und wenn die Besuchsmöglichkeiten tatsächlich eingeschränkt sind, wie grundsätzlich in den Altenpflegeheimen oder auch auf der einen oder anderen Station, so gibt es einfach eine Art Freude darüber, dass der Seelsorgedienst in besonderer Weise bereit ist.

Wie gehen die Seelsorger*innen persönlich mit der Gefahr um?

Anne Heimendahl: Mit Gottvertrauen - und den nötigen Schutzmaßnahmen: Mundschutz, Handschuhen, und dem nötigen Abstand zum Gegenüber. Ansonsten bekomme ich ganz unterschiedliche Rückmeldungen. Die einen sind nach wie vor im ganzen Krankenhaus präsent und gehen mit wenigen Ausnahmen auf alle Stationen, die anderen halten sich vor allem Ruf-bereit, d.h kommen, wenn sie von den Pflegekräften oder Ärzt*innen angerufen werden. Viele Seelsorger*innen überlegen sich neue Formen der geistlichen Unterstützung, sei es, dass mittägliche Fürbittgebete angeboten werden, dass die Gottesdienste über Lautsprecher angeboten werden oder dass über Handzettel oder Plakate auf die vielfältigen medialen Angebote hingewiesen wird. Eine Kollegin erzählte, dass sie als ökumenisches Team auf alle Stationen und Bereiche mit einem Mutwort in A4  fürs Personal gegangen sei und Massen von den kleinen Gummibärchentüten verteilt habe. Es sei sehr gut angekommen…
Umgekehrt erleben auch die Seelsorger*innen, wie gut es tut, wenn ihnen selbst kleine Nachrichten geschickt werden oder per Mail gesagt wird, dass man für sie betet. Viele gute Wünsche gehen ein – und das ist eine große Stärkung.

Können Kranke wie gewohnt besucht werden?

Anne Heimendahl: Ja, größtenteils ist der Besuch kranker Menschen weiterhin erlaubt. Manche dürfen nur noch zu schwer kranken Patienten oder dorthin wo es für nötig erachtet wird. Die üblichen Runden über die Station fallen dann natürlich weg.

Darf die Krankenhausseelsorge auch infizierte Menschen besuchen?

Anne Heimendahl: Bis jetzt gab es da noch keinen Bedarf. Wie das dann im konkreten Fall aussehen könnte, ist dabei noch offen. Aufgrund der Erfahrung im Umgang mit anderen Infektionen wie MRSA oder dem Noro – Virus sind auch Seelsorger*innen nicht ganz unbedarft. Aber inwiefern der unmittelbare Kontakt notwendig sein wird, entscheiden andere.