Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Inhalt springen
InstagramRSSPrint

Vorbild für Veränderung

Lausitz-Kirchentag zwischen Braunkohle und Grenzregion

Die Lausitz zwischen Strukturwandel und Randlage an der polnischen Grenze sucht auf einem Kirchentag mit Gottesdiensten, Musik und Diskussionsveranstaltungen nach Leichtigkeit: Eine Region nicht als Problem, sondern als Modell.

Görlitz (epd). In der Tracht der Sorbinnen mit breiter blauer Haube auf dem Kopf und roter Schürze über einem grünen Rock geht eine Pfarrerin aus der Nähe von Cottbus durch den überfüllten Zug nach Görlitz und verkauft Kirchentagsprogramme. Sie hat Informationen über 150 Veranstaltungen des zweitägigen Lausitz-Kirchentags in Görlitz und ein Spiel im Angebot, das man sich per QR-Code herunterladen kann. Eine junge freiwillige Helferin bringt im Zug ein Blech mit Streuselkuchen, ihre Eltern und ihre Großeltern zum Kirchentreffen mit. Am Bahnhof von Görlitz empfangen die Gäste freundliche junge Leute, die den Weg zu Fuß oder per Straßenbahn weisen. „Hier sind wir zehn, in der ganzen Stadt sind wir Hunderte“, sagt ein junges Mädchen im blauen T-Shirt mit dem Motto des Kirchentags „Von Wegen“.

Zwei Tage lang lockt der Lausitz-Kirchentag, der am Sonntag mit einem Gottesdienst zu Ende gegangen ist, Christen und andere Menschen in die Grenzregion. Auf der Hauptbühne am Obermarkt versammeln sich am Samstag bereits zum Eröffnungsgottesdienst laut Veranstaltern 2.000, laut Polizei 500 Menschen. Der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Christian Stäblein, lobt beim Gottesdienst die Lausitz als Vorbild für den Umgang mit Veränderungen. Nach der Predigt schnipst er den Takt mit den Fingern, um das Mitsingen zu erleichtern. Bei einem Quiz sagt er später, er wäre gern Koch geworden und habe als Jugendlicher ein zerschnittenes Pyjama-Oberteil und lange Haare getragen. Er frage sich, wie seine Eltern das ertragen hätten, fügt er lachend hinzu.

Auf dem sogenannten Roten Sofa geht es am Untermarkt um Strukturwandel in der von Braunkohle geprägten Oberlausitz. Jung und Alt informiert sich gleichzeitig an Ständen über Aktivitäten von Diakonie und Missionswerk. Mitten drin im Gewühl der Besucher taucht ein elegantes junges Hochzeitspaar auf der Terrasse eines Lokals neben Ständen des Reiseveranstalters „Biblische Reisen“ auf. Gegenüber verkauft eine Grundschulklasse Kuchen.

Bei einer zwischen Show und Ernst schwankenden Diskussion geht es auch um den Ukraine-Krieg. Die Konfliktparteien müssten an den Verhandlungstisch gezwungen werden, sagt der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). „Nur dort kann es einen Frieden geben, und zwar so schnell wie möglich“, so der gebürtige Görlitzer. Der 47-Jährige ist evangelischer Christ.

Auf der Altstadtbrücke, die über die Neiße in die polnische Partnerstadt Zgorzelec führt, berichtet die Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, Maria Nocke, über ihre Erfahrungen mit dem Mauerfall von 1989. Der Bischof der Diözese Breslau der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen, Waldemar Pytel, betont die europäische Dimension des Kirchentags und die Herausforderungen, die in seinem Mittelpunkt stehen.

Auf der polnischen Seite der Brücke locken Ladenschilder mit billigen Zigaretten und Alkohol. Ein Mann läuft mit seinem Sohn über die Brücke Richtung Görlitz. Am Mobiltelefon erzählt er, dort gebe es eine kirchliche Großveranstaltung. Der Lausitz-Kirchentag zieht nicht nur engagierte Jugendliche, Posaunenchöre, die die Altstadt von Görlitz mit Musik erfüllen, und Kirchgänger an, sondern auch Neugierige, die keiner Kirche angehören. Das war das erklärte Ziel des ökumenischen Festivals.

(epd)