01.07.2025
Das Kirchenasyl ist ein Thema, das immer wieder für Diskussionen sorgt. Es bietet Menschen in Not Schutz , steht aber momentan in der Kritik. Erfahren Sie mehr über die Hintergründe und die aktuelle Debatte rund um das Kirchenasyl.
Biblische Grundlagen für das Kirchenasyl
Die Bibel ist voll mit Geschichten von Menschen, die auf der Flucht oder die fremd sind in einem neuen Land. Jesus hat Fluchterfahrung. Und sein Gebot ist es, einzutreten für die, die selbst ohnmächtig sind, und ihnen Recht zu verschaffen. „Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen", sagt er in Matthäus 25,35. Die Geschichte vom barmherzigen Samariter ist der Apell, zu helfen, wo Menschen in Not sind, ganz egal, woher sie kommen.
Das Kirchenasyl als Ausdruck des Glaubens
Das sind die Grundlagen für das Kirchenasyl. Wo in den Gemeinden Kirchenasyl gewährt wird, ist es kein politischer Akt, sondern Ausdruck des Glaubens und der Wunsch, dem Weg zu folgen, den Jesus Christus vorgegeben hat. Das Kirchenasyl hat eine lange Tradition, also der Versuch, Menschen, die keinen Ort haben, wo sie sicher sind, in Kirchen Zuflucht zu geben. In der heutigen Form gibt es das Kirchenasyl seit 1983, nachdem sich Cemal Kemal Altun, der aus politischen Gründen aus der Türkei geflohen war, aus Angst vor der Abschiebung in Berlin das Leben nahm.
Aktuelle Debatte und Kritik am Kirchenasyl
Momentan ist das Kirchenasyl in den Medien Thema und einige Politikerinnen und Politiker fragen es an oder kritisieren es auch vehement. Auch unter Christinnen und Christen gibt es Befürworter und Kritikerinnen. Immer mal wieder bekunden Menschen den Wunsch aus der Kirche austreten zu wollen, weil sie die Praxis des Kirchenasyls ablehnen. Ein Argument ist dann, das es gegen die Rechtstaatlichkeit verstößt und sich die Kirche über staatliche Beschlüsse hinwegsetzt.
Ziel des Kirchenasyls
Die Kirchen beanspruchen jedoch keinen rechtlichen Sonderstatus oder einen rechtsfreien Raum. Das Kirchenasyl soll vielmehr die Möglichkeit schaffen, die Gründe für die Abschiebung noch einmal zu prüfen. Kirchenasyl wird dann gewährt, wenn die Gemeinde Gründe für die Annahme hat, dass die behördliche Entscheidung unzureichend ist. Das Kirchenasyl möchte dann den Menschen, die davon betroffen sind, zu ihrem Recht verhelfen.
Demokratien brauchen ein Korrektiv
Sind religiöse Institutionen berechtigt, staatliche Entscheidungen in Frage zu stellen und deren Vollzug zu verhindern? In einer demokratischen Gesellschaft müssen Recht und Gesetz für alle gelten, auch für die Kirchen. Doch demokratische Gesellschaften brauchen ein Korrektiv, eine Erinnerung daran, welche Werte uns verbinden und die Frage, wie wir als Gesellschaft miteinander leben wollen. Das Kirchenasyl bricht nicht das Recht, sondern möchte auf mögliche Fehler der Rechtsanwendung hinweisen. Es verschafft Zeit, um sich den Einzelfall noch einmal in Ruhe anzusehen und vielleicht eine besser begründetet Entscheidung zu treffen. Die Gemeinden, die Kirchenasyl geben, sind im Dialog mit den Behörden.
Aktuelle Zahlen zum Kirchenasyl 2024
Im Jahr 2024 gab es in Berlin und Brandenburg 183 Kirchenasyle mit insgesamt 243 Personen, davon 40 Kinder. Die Menschen kamen aus 22 verschiedenen Herkunftsländern. Mehr als die Hälfte der Menschen im Kirchenasyl kamen aus Syrien. Andere Hauptherkunftsländer waren Afghanistan, Russland und der Irak. Bei etwa 97 % der Kirchenasyle drohte den Betroffenen eine sogenannte Dublin-Überstellung. Das bedeutet, dass die Personen in ein anderes EU-Land abgeschoben werden sollen, welches laut Dublin-III-Verordnung für die Bearbeitung ihres Asylantrags zuständig ist.
Auch das ist eine geäußerte Kritik - dass das Kirchenasyl die europäische Zusammenarbeit in den Asylverfahren unterlaufe, weil es die Abschiebung in ein europäisches Land verhindere, das eigentlich für den Asylantrag zuständig ist, etwa weil der Geflüchtete dort zuerst eingereist ist und seinen Antrag gestellt hat.
Humanitäre Gründe für Kirchenasyl
Es gibt aber aus humanitären Gründen immer wieder Bedenken und daher auch in diesen Fällen Kirchenasyl: etwa wenn den Geflüchteten Obdachlosigkeit oder die Trennung von Familienangehörigen droht, wenn sie medizinische Versorgung benötigen oder bereits gut in Deutschland integriert sind.
Bedeutung des Kirchenasyls
Das Kirchenasyl wird als „ultima ratio“ verstanden – es erfolgt nur, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft sind und eine besondere humanitäre Notlage besteht. Kirchen sind Zufluchtsorte für Menschen, die in Not sind, die Schutz suchen. Das Kirchenasyl ist ein solcher Zufluchtsort, an dem Menschen erst einmal zur Ruhe kommen können und wo in Zusammenarbeit mit den Behörden nach einer Lösung gesucht wird, die Würde und Recht der Geflüchteten wahrt.
Bischof Christian Stäblein, Flüchtlingsbeauftragter der EKD, ist es wichtig, dass es die Möglichkeit zum Kirchenasyl gibt. „Es ist ein Akt der Barmherzigkeit. Es geht nicht darum, Politik zu machen, sondern im Kirchenasyl werden Menschen aufgenommen, Menschen mit schweren Schicksalen, mit schrecklichen Erfahrungen, mit Familien und Freunden, die sie schützen wollen oder die sie vermissen, die davon träumen, sicher zu leben, und die Angst haben, verloren zu gehen. Eben Menschen, so wie du und ich.“
Informationen zur biblisch-theologischen Tradition auf ekd.de/kirchenasyl pdf