18.09.2025
In seiner B.Z.-Kolumne spannt Bischof Christian Stäblein diesmal einen Bogen zwischen christlichem Erntedank und jüdischem Neujahr: Mut, Verantwortung und Dankbarkeit verbinden sich – der Einsatz gegen Antisemitismus bleibt Anstoß.
Ernte und Jahreswechsel
Ernte hat etwas von Jahreswechsel, von Neujahr. Weil, wenn die Felder abgemäht und die Scheunen voll, weiß man, dass wieder ein Jahr kommen kann. Dass Gott dich erhält, dass die Natur wieder gewachsen, die Früchte gereift, das Korn zu Brot werden kann. Wenn jetzt die großen Erntefeste anstehen – in jedem Ort ein eigenes und für das Land Brandenburg ein großes in Altranft am Wochenende –, dann rückt in den Fokus, was wir über das Jahr so schnell vergessen. Wir leben von einer Schöpfung, die wir nicht gemacht haben und schon gar nicht zerstören dürfen. Ja, auf deren stete Erneuerung wir elementar angewiesen sind. Wir danken all jenen, die dem allen das ganze Jahr über nachgehen. Mit ihnen danken wir Gott, der nicht nur werden und vergehen lässt, sondern erneuert. Erntedankfeste feiern das Versprechen, dass auch im nächsten Jahr Leben wird.
Jüdisches Neujahr
Seit alters her liegt das jüdische Neujahrsfest im September, dieses Jahr ab nächsten Montagabend. Das jüdische Neujahr Rosch ha-Schana wurzelt im Gedanken, dass es Gottes Gnade ist, aus der heraus alle Zeit und auch meine Zeit im Leben neu beginnt. Die Tage um diesen in jüdischer Tradition hohen Feiertag sind geprägt von der Wendung zu Gott, von der Bitte um neues Leben. Und natürlich von guten Wünschen füreinander. Dass es schwere Zeiten sind derzeit, ist ja offenkundig.
Antisemitismus in Deutschland
Der Antisemitismus in diesem Land hat ein Ausmaß erreicht, das noch vor wenigen Jahren für mich nicht vorstellbar war. Wie sehr das berührt, gerade auch im Blick auf unsere Vergangenheit, hat der Kanzler vor wenigen Tagen bei der Einweihung der Synagoge in München sichtbar werden lassen, als er mit seinen Tränen gerungen hat.
Blick ins neue Jahr: Leben ohne Antisemitismus
Ein neues Jahr, ein Leben ohne Antisemitismus möchte ich den Geschwistern und uns allen als Gesellschaft wünschen. Das mag mancher für einen frommen Wunsch halten, vielleicht, umso mehr ist es unsere Aufgabe, dass wir alles dafür tun. Und den Dank laut machen, wie froh wir sind, dass sich jüdisches Leben in Deutschland erneuert hat und erneuert. Gutes Neujahr Ihnen.