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„Sich öffnen in die Stadt, den Kiez, das Dorf hinein, damit wir eine sorgende Kirche werden“

Christina-Maria Bammel erzählt im Interview, warum sie sich als Pröpstin bewirbt, was sie als thelogische Leiterin der EKBO vorhat - und was sie für ein Mensch ist

ekbo.de: Was verbindet Sie ganz persönlich mit der Landeskirche, mit der Region?

Christina-Maria Bammel: In Berlin Pankow vor 46 Jahren geboren und in einem Brandenburger Dorf getauft, liegen meine familiären Wurzeln zwischen Berlin und Brandenburg. Ich habe u.a. in Berlin studiert, und gelehrt, habe unter dem Fernsehturm in der Marienkirche ein für mich wegweisendes Vikariat erlebt. Dann bin ich im Pfarrdienst in der „Kirchengemeinde am Weinberg“ aufgenommen worden von einer bunten, geschichtsverbundenen und sehr innovativen Gemeindeleitung. Einen besseren Start als Pfarrerin hätte ich mir kaum wünschen können. Ich habe dann nach sechs Jahren mit dem Wechsel in das Konsistorium unserer Landeskirche die Weite der Sprengel, die verschiedenen Gemeindebilder, die sehr unterschiedlichen Aufgaben kennengelernt und konnte darin ein Gefühl und Wissen für die Bedürfnisse und Aufgaben von Kirchengemeinden in ländlichen Räumen erhalten. Ich reise gern in alle Himmelsrichtungen dieser Landeskirche! Das ist mir in den letzten Jahren selbstverständlich geworden. Es könnte noch mehr sein. Für diese Erfahrungen und für den Reichtum, die Transformationskraft in der EKBO und das, was ich hier mit anstoßen und steuern durfte, bin ich dankbar.

Wohin würden Sie das EKBO-Schiff steuern – und in welcher Weise?

Christina-Maria Bammel: Man steht ja nicht allein auf der Schiffsbrücke! Gemeinsam mit der Kirchenleitung, der Synode, dem Konsistorium, vor allem aber mit den Gemeinden und Kirchenkreisen werden wir Kursänderungen angehen.  Die sind mitunter ja ganz normaler Alltag im Schiffsverkehr. Nichts also, wovor man sich fürchten müsste, denn wir können uns nicht nicht bewegen. Kursänderung bedeutet:
I)  Weniger um die eigene Kirchenachse drehen, weniger Sorge um die eigene Institution, statt dessen: mehr investieren in das, was unsere ureigenen Aufgaben sind, und zwar konsequent partnerschaftlich mit allen hilfreichen zivilen, kommunalen Kräften. Netzwerken ermöglichen!
2) mehr Unterstützung für neue Gemeindeorte außerhalb der bisherigen Strukturen, die vor allem die Generation der jungen Erwachsenen nach ihren Vorstellungen entwickeln und auch für ihre Lebensphase wirklich brauchen kann,
3) weniger Kontrollen, Anordnungen und Regelungen, mehr Inspiration und motivierende, unterstützende Maßnahmen für Gemeinden, die den Umbau wagen und sich öffnen in die Stadt, den Kiez, das Dorf hinein, damit wir eine sorgende Kirche werden – großzügig, inklusiv und nachbarschaftlich bei denen, die vielleicht schon lange nicht mehr nach Gott gefragt haben.

Wie würden Sie sich als Mensch beschreiben?

Christina-Maria Bammel: Lieber frage ich einmal mehr nach, als schnell Behauptungen in die Welt zu setzen. Ich habe beim Sport Stehvermögen und Ausdauer gelernt. Ungern arbeite ich allein; am besten ist jede Menge Austausch. Vielleicht bin ich empfänglicher für ein Gedicht als für einen Gesetzestext, aber ich entwickle tiefen Widerwillen, wenn Menschen Gerechtigkeit verweigert wird oder ihnen Unrecht geschieht. Ich bin sehr gern in der Gesellschaft von Menschen, die dem Humor heilende Kraft zutrauen, die dabei vor allem achtsam sind im Umgang mit dem Empfinden und der Verletzbarkeit anderer Menschen.

Worin sehen Sie die größte Herausforderung bei Ihrer künftigen Aufgabe?

Christina-Maria Bammel: Es gibt Herausforderungen, die uns diese Zeit einfach stellt. Die demografischen Veränderungen in den ländlichen Räumen und die Verdichtungen, die uns unter Druck bringen, in der Stadt. Die rasante Umstellung von analog zu digital, und wir schon mittendrin. Dann die tektonischen Verschiebungen allenthalben: Migrationsbewegungen mit weltweiten Folgen. Antidemokratische Gegenströmungen, geistige Brandstiftung in diesem Land und in europäischen Nachbarländern. Mich beschäftigen die jüngeren Generationen, die Millenials, deren Vertrauen bröckelt gegenüber denen, die die Warnsignale dieser gefährdeten Schöpfung immer noch nicht wahrhaben wollen. Die Millenials trauen auch immer weniger Groß-Institutionen, wie wir eine sind.
Daneben sind wir vor allem herausgefordert, von Gott so zu reden, dass Menschen davon berührt, getragen und gestärkt werden, denn davon gehe ich aus, dass Gott berührt, trägt und stärkt. Da ist entscheidend, ob ich selbst auch tatsächlich selbst aus dem lebe, was Gott mir schenkt,  dass ich nämlich bei Gott mehr bin als die Summe meiner Taten. Dass fordert Gott von uns, dass wir ein dankbares, achtsames und maßvolles Leben führen, ohne uns vielleicht auch von Enttäuschungen überrollen zu lassen. Wenn wir also Menschen stärken wollen, müssen wir auch selbst die Erfahrung gemacht haben, wie uns die Hände und Herzen durch unseren Glauben gefüllt wurden. Gott macht den Unterschied in unserem Leben. Das ist unser Erkennungszeichen und damit können wir zu einer wirklich zum Leben helfenden Bewegung werden. Eine Pröpstin kann auf diesem Weg mit navigieren.

Letzte Änderung am: 28.02.2023