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Luthers Druckerei

Die Cranachs stehen heute vor allem für Porträts des Reformators Martin Luther. Weniger bekannt ist, dass die Künstlerdynastie ihren Einfluss auf ein Familienunternehmen mit unterschiedlichen Wirtschaftszweigen gründete.

Wittenberg (epd). In der Cranach-Apotheke in Wittenberg, an der Ecke zum Marktplatz mit Luther-Statue und Alten Rathaus, suchen Kunden noch heute nach Linderung ihrer Leiden. Der Name des Ladens mit den Rundbogenfenstern klingt nach Werbung mit der berühmten Künstlerdynastie. Doch neben einer Malerwerkstatt und Druckerei betrieb Lucas Cranach der Ältere (1472-1553) auch die in seinem Wohnhaus gelegene Apotheke, einen Weinausschank und Immobilienhandel.

In Cranachs Wittenberger Druckerei wurde das im September vor 500 Jahren erschienene „Septembertestament“, die erste Ausgabe der Bibelübersetzung von Martin Luther (1483-1546), illustriert und gedruckt. Heute befinden sich auf dem damaligen Anwesen in der Altstadt ein Cranach-Museum, eine Wirtschaft, eine Herberge und eine Kunstschule. Bereits zu Cranachs Lebzeiten sei eine Vielfalt an Wirtschaftsaktivitäten notwendig gewesen, erzählt Marlies Schmidt, die stellvertretende Direktorin der Cranach-Stiftung. Auch für einen Werkstattbetrieb mit bis zu 20 Mitarbeitern sei Künstlertum bereits damals prekär gewesen.

Im Museum führt Andreas Metschke eine historische Druckerpresse vor. Anstatt Holz verwendet er allerdings eine Linoleum-Platte. Das moderne Material halte länger, erklärt der Mann, der für die Touristenvorführung ein altertümliches Hemd und eine Kopfbedeckung aus grobem Leinen trägt.

„Gutenberg hat nur schwarz gedruckt, Cranach konnte auch blau und rot drucken“, sagt Metschke begeistert über den Fortschritt gegenüber dem Erfinder des modernen Buchdrucks, Johannes Gutenberg (um 1400-1468). Die erste Ausgabe von Luthers Bibelübersetzung sei auf der Leipziger Buchmesse vorgestellt worden. Wegen der großen Nachfrage seien auch viele „Raubkopien“ gedruckt worden, betont Metschke auch nach 500 Jahren noch empört.

In der ersten Auflage gab es noch eine Illustration, in der ein Drachen als Personifikation des Bösen eine Papstkrone trägt. Bei der zweiten Auflage sei anstelle der Tiara ein weißer Fleck gelassen worden, die Nachauflage sei so „entschärft“ worden, erklärt die stellvertretende Direktorin der Cranach-Stiftung. Cranach der Ältere sei zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen. Der mit Luther befreundete Maler druckte und illustrierte dessen Schriften. Gleichzeitig erstellte er mit seiner Werkstatt zahlreiche Porträts des Reformators. „Es gab deutschlandweit Anfragen, wie sieht Luther aus“, sagt die Kunsthistorikerin.

Nach Luthers Thesenanschlag von 1517 an der Wittenberger Schlosskirche versuchte Cranach, neue Käuferschichten zu erschließen. In den 30er und 40er Jahren des 16. Jahrhunderts seien die Bildformate kleiner geworden, sagt Schmidt: „Das konnte man sich über's Sofa hängen, da brauchte man keine Kirche.“ Im Museum im ehemaligen Cranach-Wohnhaus knarren die Holzdielen, während sie Drucke und bei der Renovierung zum Vorschein gekommene Überreste von Deckenmalereien der Cranach-Werkstatt mit Blumenmustern zeigt.

Cranach der Ältere und sein Sohn Lucas Cranach der Jüngere (1515-1586) hätten einen erkennbaren Stil und damit eine Marke geschaffen, erklärt die Kunsthistorikerin. Heute werden der Werkstatt mehrere Tausend Gemälde zugeschrieben. Der Druck von lateinischen Bibeln und der lutherischen Übersetzung sowie Illustrationen sei „letztendlich ein Massenerzeugnis“ gewesen. Deshalb gebe es auch heute noch so viele Lutherbilder. Auch Gemälde waren keine Unikate. „Man hat einen Porträttyp gefunden, der nicht nur einmal, sondern dutzende Male gemalt wurde“. Ein Porträt des sächsischen Kurfürsten Friedrich des Weisen etwa sei 60 Mal gemalt worden.

Als Hofmaler des Kurfürsten Friedrich lll. von Sachsen häuft Cranach von 1505 an ein Vermögen an, das später die Grundlage anderer Wirtschaftszweige bildet. Anfangs wohnt der Maler, der sich nach seiner Geburtsstadt Kronach in Franken nennt, im Wittenberger Schloss. Sieben Jahre später erwirbt er am Marktplatz zwei nebeneinander liegende Häuser. Auf einer der beiden Immobilien lag ein Schankrecht. Von 1512 an betreiben die Cranachs von dort aus einen Weinausschank.

Cranach verkauft die beiden Gebäude später und erwirbt in der Schlossstraße ein Grundstück mit Apotheke an dem Ort, an dem heute erneut in seinem Namen Medikamente verkauft werden. Zwei Jahre später erhält er ein kurfürstliches Apothekenprivileg. Damit hält er nicht nur das Monopol beim Vertrieb von Heilmitteln, sondern auch bei Papier, Tinte und Siegelwachs. In dem Apothekenprivileg heißt es unter anderem, „dass in unserer Stadt Wittenberg keine andere Apotheke ohne Lucas Cranachs und seiner Erben Wissen soll aufgerichtet werden“.

Mit zehn Häusern ist Cranach 1528 der Stiftung zufolge der reichste Immobilienbesitzer Wittenbergs. Ebenso wie sein gleichnamiger Malersohn war er zeitweise Bürgermeister der Stadt. 1799 wird die mit Cranachs Schwiegersohn an den Markt umgezogene Apotheke wieder in das Haus in der Schlossstraße zurückverlegt. Im restaurierten Innenhof sitzt Cranach der Ältere als Bronzefigur auf einer Mauer. Im Arm hält er eine Druckplatte mit einem Luther-Porträt. Wer ein Papier darauf legt, kann die Umrisse abpausen und sich sein eigenes Bild von Luther machen.

Letzte Änderung am: 28.02.2023