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Befreiungstheologie: Wofür stand Ernesto Cardenal?

Am 1. März 2020 starb Ernesto Cardenal. Die Befreiungstheologische Gruppe Berlin ordnet den Priester, Dichter und Politiker und sein Werk ein.

Ernesto Cardenal am 15.11.2014 bei einer Lesung im Evangelischen Gemeindehaus in Polch (Kreis Mayen-Koblenz, Rheinland-Pfalz, Deutschland). Foto: Wikimedia
Ernesto Cardenal am 15.11.2014 bei einer Lesung im Evangelischen Gemeindehaus in Polch (Kreis Mayen-Koblenz, Rheinland-Pfalz, Deutschland). Foto: Wikimedia

Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag der Befreiungstheologischen Gruppe Berlin

Am vergangenen Sonntag starb, alt und lebenssatt, der nicaraguanische Theologe und Dichter Ernesto Cardenal. Seine Neuinterpretation der Psalmen (Salmos, 1969) gilt als eines der wichtigsten Werke der lateinamerikanischen Befreiungstheologie, die Erzählung über die von ihm gegründete Basisgemeinde in Das Evangelium von Solentiname machten ihn in Deutschland einem breiten Publikum bekannt. Er gilt als einer der  bedeutendster Dichter Zentralamerikas. Von 1979-87 war er Kulturminister seines Landes und für ein flächendeckendes Alphabetisierungsprogramm verantwortlich.

Cardenal wurde Mitte der 1920er Jahre in eine der reichsten Familien Nicaraguas geboren. Bereits ab den 50er Jahren beteiligten er sich am Widerstand gegen das Regime der Somoza-Familie in seinem Heimatland. Die Verfolgung zwang ihn zur Flucht. Nach einem bereits abgeschlossenen Studium der Literaturwissenschaften studierte er in den USA, Mexiko und Kolumbien katholische Theologie und war zeitweise Novize in einem Trappistenkloster in Kentucky. Nach dessen Vorbild gründete er bei seiner Rückkehr nach Nicaragua eine Basisgemeinde auf der Insel Solentiname im Nicaragua-See. Neben dem Versuch, im Sinne einer urchristlichen Güter- und Lehrgemeinschaft zusammenzuleben, war die Kommune sicherer Rückzugsort für Kämpfer der FSLN (frente sandinista liberacìon nacional, Sandinistische Front zur nationalen Befreiung), einer marxistischen Guerillagruppe im Widerstand zum Somoza-Regime. U.a. wurde von dort der Angriff auf die Kaserne von San Marcos geplant und durchgeführt, der als Auftakt der sandinistischen Revolution gilt.

Nach dem Sieg der FSLN über Somoza übernahm Cardenal genauso wie sein Bruder Fernando einen Ministerposten im Kabinett von Revolutionsführer Daniel Ortega. Da die Übernahme von politischen Ämtern für Geistliche von der Röm.-Kath.-Kirche verboten war, wurden beide von ihren Orden (Fernando war Jesuit) vom Priesteramt suspendiert. Ernesto erhielt dieses Recht erst im vergangenen Jahr zurück.

Nach der Abwahl Ortegas Mitte der 90er und dessen spätere Wandlung zum Autokraten kam es zwischen Cardenal und der FSLN zum Bruch. Cardenal blieb bis zum Ende scharfer Kritiker des ab 2006 erneut regierenden Präsidenten, der sich in den vergangen Jahren heftigem Protest aus der Bevölkerung ausgesetzt sah. Selbst bei Cardenals Beerdigung am Mittwoch kam es zu Zusammenstößen zwischen Ortega-Anhänger*innen und Opposition.

Cardenal steht wie seine salvadorianischen Kollegen Ignacio Ellacuria und Oscar Romero (beide ermordet durch rechtsradikale Paramilitärs) und viele Namenlose für eine zentralamerikanische Interpretation der Theologie der Befreiung, die sich in höchstem Maße den Befreiungskämpfen in ihren Länder verpflichtet sah.

Mit Geist und Leib haben sie ihren Platz an der Seite der Unterdrückten gefunden, die radikale Botschaft des Evangeliums wurde konkretes Tun.

Für dieses Beispiel sind wir ihnen dankbar.

A la vuelta, Ernesto. Hasta la resureccìon siempre.