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"Wo es funktioniert, soll es doch bitte so bleiben"

In Brandenburg gibt es Unmut über Pläne für größere Kirchengemeinden

Kleine Gemeinde, große Aufgaben: Die evangelische Landeskirche will kleine Gemeinden zu größeren zusammenschließen, damit sie handlungsfähig bleiben. Nicht alle sind einverstanden. Sie fürchten mehr Bürokratie und Fremdbestimmung.

Groß Lübbenau/Lennewitz (epd). Ein Dorf am Rand des Spreewalds, gut 200 Menschen leben dort, etwa die Hälfte davon Mitglieder der evangelischen Kirchengemeinde: Groß Lübbenau. Ein Teil des Ortes musste in den 80er Jahren für den Braunkohletagebau aufgegeben werden, auch die alte Kirche musste der Kohle weichen und wurde abgerissen. Als Ersatz wurde eine neue Kirche gebaut, kurz vor dem Weihnachtsfest 1987 wurde sie eingeweiht.

Nun könnten neue Veränderungen auf die Kirchengemeinde zukommen. Denn die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz möchte ihre Kleinstgemeinden zu größeren Verbünden mit mindestens 300 Mitgliedern zusammenschließen. Die kleinen Gemeinden müssten Aufgaben und rechtlichen Verpflichtungen gerecht werden, die sie oft nicht mehr erfüllen können, heißt es. Im Frühjahr wurde bereits ein Gemeindestrukturgesetz für größere Zusammenschlüsse beschlossen. Im Herbst soll ein Gesetz zur Mindestgröße folgen. Doch Groß Lübbenau überzeugt das nicht.

Die Kirchengemeinde stehe sehr zu ihrer Identität, sagte Pfarrerin Ulrike Garve vom Pfarrsprengel Lübbenau und Umland: „Es ist ein gewisser eigener Stolz vorhanden.“ Die Trauer um die gesprengte Kirche sei immer noch groß, das kirchliche Engagement vor Ort sehr hoch. „Die Gemeinde kriegt Sachen hin, über die ich staune“, sagte die Pfarrerin: „Zum Beispiel einen eigenen Besuchsdienst.“

„Identität findet vor Ort in der Kirche statt“, sagt Anke Kullick, Vorsitzende des Gemeindekirchenrats von Groß Lübbenau. Sie sorgt sich, dass das Engagement in der Gemeinde in größeren Strukturen verloren geht, wenn zusätzliche Gremiensitzungen anstehen, dafür weitere Wege in Kauf genommen werden müssen, wenn vielleicht andere bei den eigenen Angelegenheiten, bei Engagement, Geld, Aktivitäten mitentscheiden könnten. Es gebe Gemeindekirchenratsmitglieder, die sagten, sie machen dann nicht mehr mit.

„Uns darf hier nichts weggenommen werden“, so fasst die Kita-Leiterin, die vor längerer Zeit nach Groß Lübbenau geheiratet hat und in der Region arbeitet, die Stimmung in der Gemeinde zusammen: „Wir wollen unsere Kräfte hier bündeln.“ Warum sollte eine funktionierende kleine Gemeinde mit Engagement, genug Geld, hoher Spendenbereitschaft und wenig bürokratischem Aufwand, die bereits einem größeren Pfarrsprengel angehört, zum Zusammenschluss gezwungen werden, fragt Anke Kullick: „Es gibt bei uns keine Probleme.“

Auch in der Prignitz macht sich Unmut Luft. Dort drohen die Gemeinden Lennewitz, Legde und Quitzöbel an der Elbe mit Kirchenaustritten, sollte eine Mindestmitgliederzahl für Gemeinden beschlossen werden. „Wenn wir nicht mehr über Baupflege und Verpachtung von Land selbst entscheiden können, sind uns wesentliche Dinge genommen“, sagt Reinhard Jung, Landwirt, Geschäftsführer des Bauernbundes Brandenburg und Mitglied im Gemeindekirchenrat von Lennewitz: „Am Ende dürfen wir nur noch rasenmähen.“
„Wir haben keine Not“, sagt Jung. 17 Mitglieder habe die Kirchengemeinde Lennewitz, die Mehrheit der 32 Dorfbewohner. „Die gesamte Verwaltungsarbeit erschlagen wir mit einer Sitzung im Jahr“, sagt der gebürtige Hamburger: „Kann man uns nicht einfach in Ruhe lassen?“ Wenn es irgendwann nötig sei, „können wir uns doch freiwillig zusammenschließen, dann machen wir das auch“, betont Jung und vermutet, die Landeskirche wolle an das Geld und das Land der Gemeinden heran.

Das kirchliche Leben vor Ort solle nicht eingeschränkt, sondern gesichert und unterstützt werden, entgegnet der Vorsitzende der Landessynode, Harald Geywitz, auf Kritik. Als sogenannte Körperschaft des öffentlichen Rechts müsse sich jede Kirchengemeinde auch um Fragen wie Daten- und Arbeitsschutz kümmern, einen eigenen Haushalt aufstellen und ab 2023 auch Umsatzsteuer zahlen, egal, wie groß sie ist: „Es geht jetzt darum, dass man die Verwaltung auf eine höhere Ebene verlagert, während das kirchliche Leben weiterhin vor Ort organisiert wird“, sagt Geywitz. Und irgendwann müsse schlicht entschieden werden, welche Mitgliederzahl die besondere Form der Körperschaft rechtfertige.
In der Landeskirche gibt es derzeit noch mehr als 650 Gemeinden mit weniger als 300 Mitgliedern. Allein im vergangenen Jahr hätten sich mehr als 40 Kirchengemeinden zu größeren Verbünden zusammengeschlossen, betont Geywitz. Vor Ort würden dazu auch Gespräche geführt, wenn das gewünscht werde.

Der Gemeindekirchenrat von Groß Lübbenau hat Briefe an die Landessynode geschrieben. „Wir wollen nicht in immer größer werdenden Gremien und regionalen Zusammenschlüssen über andere Kirchen und Gemeinden mitentscheiden“, schreiben die sieben Ehrenamtlichen darin. Sie wollen Ausnahmen von einer Pflicht zu größeren Zusammenschlüssen, betont Anke Kullick: „Wo es funktioniert, soll es doch bitte so bleiben.“

Von Yvonne Jennerjahn (epd)