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"Wann, wenn nicht jetzt"

Pfarrer Thomas-Dietrich Lehmann zu Seelsorge im Gefängnis in Zeiten der Corona-Krise

Gefaengnisseelsorger Thomas-Dietrich Lehmann in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Moabit in Berlin. Foto: Jürgen Blume/epd

Die Corona-Krise macht auch vor dem Strafvollzug nicht halt. In der Berliner Untersuchungshaftanstalt Moabit mit knapp 950 Plätzen für Männer arbeitet Pfarrer Thomas-Dietrich Lehmann als verantwortlicher evangelischer Seelsorger. Wie überall sind auch im Gefängnis Gottesdienste nicht mehr möglich, nur noch Einzelgespräche, schilderte Lehmann die veränderte Lage im Gespräch mit Lukas Philippi (epd).

 

epd: Inwieweit sind Sie durch die Corona-Krise in Ihrer Arbeit als Seelsorger für Inhaftierte eingeschränkt?
Lehmann: Wir als Seelsorgende stehen nicht außerhalb der Gesellschaft und auch nicht außerhalb der Gefährdung in den Justizvollzugsanstalten. Das heißt, auch wir als tagtäglich von draußen nach drinnen gehende Mitarbeitende sind potenzielle Gefahrenherde für Inhaftierte. So sind seit dem 15. März auch in den Berliner Justizvollzugsanstalten die Gottesdienste durch Regierungsbeschluss ausgesetzt. Gruppenarbeit ist ebenfalls untersagt. So bleibt die Einzelseelsorge für die Männer bestehen und natürlich auf Wunsch auch für die Justizangestellten, wie auch schon vorher. Abstand einhalten, Hände waschen, keinen Körperkontakt, auch das ist hier lebenswichtig.
epd: Wie wirkt sich die Corona-Krise auf den Alltag der Gefangenen aus?
Lehmann: Die Angehörigen-Besuche entfallen und Gruppenangebote sind eingeschränkt. Jedoch versucht die Anstalt Wegfallendes auszugleichen durch mehr Aufschlusszeiten und Freistunden. Auch die Möglichkeiten zum Telefonieren sollen großzügiger gestaltet werden. Und zum Schluss: Es gibt Lohnfortzahlung für den Fall, dass der Arbeitsbetrieb in Werkstätten eingestellt werden muss.
epd: Ist eine Betreuung von Gefangenen jetzt noch möglich?
Lehmann: Ja natürlich. Und wann, wenn nicht jetzt, schlägt doch die Stunde der Einzelseelsorge. In aller Vorsicht für uns selbst und in aller Verantwortung für die Menschen, die sich an uns wenden, dürfen wir aber auch frohgemut unserem Herrn Jesus folgen, der gerade in Krankheitssituationen und mit den Isolationsregeln der damaligen Gesellschaft keinerlei Berührungsängste kannte. Ihm jetzt nachzufolgen, gebietet unser Auftrag für den Dienst am Menschen.
epd: Wie können Sie den Menschen in dieser Situation helfen?
Lehmann: Wir in Moabit geben seit 22. März eine ökumenische wöchentliche Kirchenzeitung raus, die erste Nummer in einer Auflage von 100 Stück, die sogenannte "Kirchenpostille für Inhaftierte". Dort wenden wir uns an alle, die mit uns Kontakt halten wollen, mit Tipps für Radio- und Fernsehgottesdienste, mit kleinen Andachten zum Beten auf der Zelle, und besonders mit der Idee, Sonntags um 10 Uhr bei geöffnetem Zellenfenster den Berliner Glocken in Moabit zu lauschen und gemeinsam zu beten und zu singen. Auch wir werden dasein und in der Anstaltskirche das Fenster öffnen und Andacht halten. Auch das haben uns Petrus und Silas, aufgeschrieben in der Apostelgeschichte, vorgelebt.
epd: Zeigt die JVA-Leitung Verständnis für Ihre Situation und lässt den Kontakt zu Gefangenen weiter zu?
Lehmann: Unbedingt und dafür sind wir aus tiefem Herzen dankbar. Wir erhalten alle erdenkliche Unterstützung in dieser schweren Zeit. Und die Anstalt weiß unsere Arbeit am Mann zu schätzen. Es bewährt sich jetzt auch die in Moabit ausgesprochen weit entwickelte ökumenische Zusammenarbeit mit den Katholiken, so dass wir in jahrelang eingespielten Seelsorgeteams kooperieren.