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"Es war auch eine protestantische Revolution"

Evangelische Kirche würdigt Wende und Mauerfall vor 25 Jahren

9. Novemver 2014. Dresden (epd). Zum Synoden-Auftakt der evangelischen Kirche steht die Erinnerung an den 9. November 1989 im Mittelpunkt. Sachsens Bischof Bohl betont Deutschlands Verantwortung in der Welt, und Bundesinnenminister de Maizière verteidigt die Flüchtlingspolitik.

 

Mit einer Würdigung der friedlichen Revolution in der DDR und des Mauerfalls vor 25 Jahren hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) am Sonntag in Dresden ihre Synodentagung eröffnet. "Es war eine friedliche, und es war auch eine protestantische Revolution, denn zu einem guten Teil wurde sie von evangelischen Christinnen und Christen gemacht", sagte der sächsische Landesbischof Jochen Bohl im Eröffnungsgottesdienst. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verteidigte in einem Grußwort die europäische und deutsche Flüchtlingspolitik. In seinem letzten Bericht an das Kirchenparlament brachte der scheidende Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider einen Rechtsanspruch auf Sterbebegleitung ins Gespräch.

 

Der sächsische Bischof Bohl rief dazu auf, dass Deutschland angesichts der Konflikte in der Welt Verantwortung übernimmt. Es sei "nicht länger möglich, sich zurückzulehnen und distanziert zuzuschauen, was anderswo geschieht". Als Beispiele nannte Bohl unter anderem den Terror des "Islamischen Staates" (IS) in Syrien und dem Irak, den Ukraine-Konflikt und den Umgang mit Flüchtlingen. "Es gibt keine Nische, in die unser Land sich zurückziehen könnte, auf dessen Möglichkeiten so viele erwartungsvoll sehen", sagte Bohl, der auch stellvertretender EKD-Ratsvorsitzender ist.

 

Ratschef Schneider übte scharfe Kritik an der Flüchtlingspolitik. "Die Angst, dass ein ungebremster Zuzug von Flüchtlingen den eigenen Wohlstand gefährdet, bricht sich in Ablehnung, Abwehr und Gewalt gegen Flüchtlinge und Migranten Bahn", sagte er. Die Zustände in vielen Aufnahmeeinrichtungen seien Anlass zur Scham. Schneider, der nach vier Jahren an der Spitze der EKD aus persönlichen Gründen sein Amt am Montag niederlegt, sagte, die Menschen in Deutschland lebten auch auf Kosten und zulasten der Armen in der Welt: "Unser Lebensstandard lässt sich nur halten und verteidigen, wenn wir die Bedürfnisse und Nöte der Armen nur in begrenzter Dosis an uns heranlassen." Das müsse deutlich gesagt werden.

 

Innenminister de Maizière warnte davor, die Bereitschaft der Deutschen zur Aufnahme von Flüchtlingen überzustrapazieren. Einen Grundkonsens über das Asylrecht zu bewahren, sei "ein hoher Wert an sich in unserer Gesellschaft".

 

Kurz vor der Bundestagsdebatte über Sterbehilfe bekräftigte Ratsvorsitzender Schneider die ablehnende Haltung des evangelischen Kirche zu einem Recht auf ärztlich assistierten Suizid. "In Respekt und Demut vor der Lebensmacht Gottes lehnen wir als Kirche Selbsttötung und Beihilfe zur Selbsttötung grundsätzlich ab", sagte er. Zugleich schlug er vor, einen Rechtsanspruch auf Sterbebegleitung durch Palliativmedizin und Hospizarbeit in Betracht zu ziehen. Die Sterbephase sollte als eine Lebensphase erlebt werden können. Die Ablehnung aktiver Sterbehilfe müsse deshalb einhergehen mit ausreichender Finanzierung und flächendeckendem Ausbau von Palliativ- und Hospizangeboten, argumentierte Schneider: "Die letzten Lebensjahre und -monate sind teuer, aber ein menschenwürdiger Umgang mit Sterbenden darf nicht am Geld scheitern."

 

Der Spitzenrepräsentant der deutschen Protestanten hatte im Sommer seinen vorzeitigen Rückzug von der EKD-Spitze angekündigt, um seiner an Krebs erkrankten Frau Anne beizustehen. Anne und Nikolaus Schneider hatten danach in Interviews ihre unterschiedlichen Ansichten dazu deutlich gemacht, ob man sein Leben bei einem ausweglos erscheinenden Leiden selbst beenden darf. Dabei hatte Nikolaus Schneider gesagt, er würde gegen seine theologische Überzeugung seiner Ehefrau beistehen, sollte sie sich entscheiden, Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen.

 

Das Kirchenparlament berät bis Mittwoch in Dresden. Schwerpunktthema der Jahrestagung ist die "Kommunikation des Evangeliums in der digitalen Gesellschaft". Die Wahl eines neuen Ratsvorsitzenden ist für Dienstag geplant.