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Bischof Dröge: Sozialen und genossenschaftlichen Wohnungsbau stärken

Der rasante Anstieg der Mieten in Berlin macht den Menschen in der Stadt zu schaffen.

epd-Gespräch: Jens Büttner und Yvonne Jennerjahn

Berlin (epd). Der rasante Anstieg der Mieten in Berlin macht den Menschen in der Stadt zu schaffen. Zu den Aktionen dagegen gehört auch ein Volksbegehren zur Enteignung einer großen privaten Wohnungsgesellschaft, das derzeit vorbereitet wird. Das Volksbegehren sei nicht der richtige Weg, sagt der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Senat müsse stattdessen den sozialen und genossenschaftlichen Wohnungsbau stärker fördern.

 epd: Berlin steht vor großen sozialen Herausforderungen, das Thema Mieten und sozialer Wohnungsbau beschäftigt die Stadt. Was erwarten Sie vom Senat?

 Markus Dröge: Wir betrachten mit Sorge, dass viele Berliner inzwischen Angst haben, sie könnten ihre Wohnung verlieren. Sie haben Angst davor, dass die eigene Wohnung, in der sie schon lange leben, verkauft wird oder teuer modernisiert wird und sie dann ausziehen müssen, weil sie sich die Miete nicht mehr leisten können. Und das ist keine gute Situation, wenn Menschen nicht mehr das Gefühl haben, dass sie dort, wo sie zuhause sind, auch einen gewissen Schutz auf Dauer haben. Deshalb erwarten wir, dass der soziale Wohnungsbau und der genossenschaftliche Wohnungsbau wieder stärker gefördert werden.

 epd: Was halten Sie von Vorschlägen, ehemals landeseigene Wohnungen zurückzukaufen, und dem Volksbegehren für Enteignungen?

 Dröge: In Berlin sind leider viele öffentliche Wohnungen verkauft worden. Die Geschichte kann man nicht zurückdrehen. Jetzt allein zu sagen, man kauft für sehr viel mehr Geld die Wohnungen wieder zurück, die man vor 15 Jahren verkauft hat, hilft aber nicht weiter. Dadurch entstehen keine neuen Wohnungen. Wir stehen einer Enteignung skeptisch bis kritisch gegenüber. Das Grundgesetz schützt das Eigentum, Juristen sagen, dass man gar nicht so schnell enteignen kann. Es ist zu befürchten, dass das jetzt wieder nur so eine Diskussionsblase wird. Es muss stattdessen darauf gedrängt werden, dass der soziale Wohnungsbau wieder mehr Gewicht bekommt. Wir selbst als Kirche wollen uns da natürlich auch besonders anstrengen, zum Beispiel mit unserer Hilfswerksiedlung.

 epd: Was haben Sie konkret im Blick?

 Dröge: Die reformatorische Botschaft ist die der Freiheit in Verantwortung. Wir haben einen freien Wohnungsmarkt, aber wir haben auch die Verantwortung, dass Eigentum verpflichtet. Wir wollen im Spätsommer drei thematische Veranstaltungen zum Thema in Berlin organisieren. Wir, das sind die Diakonie Deutschland, der Bevollmächtigte des Rates und wir als EKBO mit unserem Diakonischen Werk. Wir wollen bewusstmachen: Es kann nicht sein, dass Wohnraum immer mehr nur zum Spekulationsobjekt wird, zum reinen Geldanlageobjekt. Und dass zum Teil Wohnungen leer stehen, weil die Rendite auch ohne Vermietung schon ausreichend hoch ist. Es geht nicht, dass Investoren das als eine gute Geldanlage sehen, aber die Menschen, die dort leben, gar nicht mehr im Blick haben. Die Freiheit des Marktes und die Freiheit, Eigentum besitzen zu dürfen in unserem Land, ist das eine hohe zu schützende Gut. Aber die Verantwortung, mit dem Eigentum auch so umzugehen, dass es den Menschen dient, die müssen wir wieder neu ins Bewusstsein rücken.

 epd: Wie wollen Sie das machen?

 Dröge: Genossenschaftliche Wohnungsmodelle, sozialer Wohnungsbau, das ist ein traditionelles kirchliches Thema. Es hat immer wieder Wohnbauprojekte gegeben, wo Kirchen und Gemeinden sozialen Wohnungsbau geschaffen haben. Seit unserer Herbstsynode 2018 sind wir dabei, noch mal genauer zu schauen, wie wir mit unseren eigenen Möglichkeiten da noch stärker aktiv werden können.

 epd: Welche Rolle spielt die evangelische Hilfswerksiedlung dabei?

 Dröge: Die Hilfswerksiedlung macht schon eine Menge. Wir wollen das aber noch einmal bewusster machen. Und auch der evangelische Friedhofsverband hat ja schon vor einiger Zeit Angebote gemacht, die sogenannten nicht-pietätbehafteten Friedhofsflächen für sozialen Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen. Da läuft ganz, ganz viel. Ich möchte das bewusster machen in der öffentlichen Diskussion, damit deutlich wird: Ja, es ist möglich, man kann etwas tun. Und damit das Bewusstsein dafür schärfen, dass es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, für jeden, der Eigentum besitzt, mit gutem Beispiel voranzugehen.

 epd: Gibt es schon konkrete Pläne zur Bebauung von Friedhofsflächen?

 Dröge: Unsere Experten haben schon 2015/16 gesagt, dass sie sich sehr gut vorstellen könnten, auf einigen ehemaligen Friedhofsflächen die Errichtung einer guten Mischung aus Flüchtlingswohnungen und Sozialwohnungen zu ermöglichen. Das ist sicherlich ein Thema, das wir uns in der nächsten Zeit noch einmal vornehmen werden.

 epd: Müssen auch kirchliche Träger, Kirchengemeinden, die Kirche allgemein darauf achten, Marktmieten zu verlangen?

 Dröge: Wir müssen uns fragen, ob wir nicht auch Ausnahmen von der Regel machen müssen, den Marktwert als Einnahme zu erzielen, um spezielle Projekte zu ermöglichen. Wir sind ja generell zwei Prinzipien verpflichtet. Das eine Prinzip ist, mit unserem Gut kaufmännisch und betriebswirtschaftlich gut umzugehen. Das andere Prinzip ist, dass wir das Eigentum nur haben, um den Menschen zu dienen. Genau da hat bei uns ein noch aufmerksameres Nachdenken eingesetzt. Wenn jetzt die Marktpreise dermaßen hochgehen, dann können wir es nicht mehr als das einzige Prinzip hochhalten, gute Preise zu erzielen. Dann greift die Verpflichtung, mit Eigentum sozial tätig zu werden. Wenn die Diakonie ein vernünftiges Projekt macht und die Gemeinde hat dafür ein Grundstück oder ein Haus, dann müssen beide sich zusammensetzen und prüfen, ob und wie das gut realisierbar ist. Und es darf dann nicht mehr nur das Prinzip gelten, dass wir marktkonforme Einnahmen erzielen müssen.

 epd: Gilt das auch für den Mietwohnungsmarkt?

 Dröge: Sicherlich! Bei jedem Bauprojekt muss darauf geachtet werden, dass wir nicht nur hochpreisigen Wohnraum schaffen, sondern dass wir auch oder vornehmlich sozial bezahlbaren Wohnraum schaffen. Darin ist die Hilfswerksiedlung auch wirklich gut.


Internet
www.ekbo.de