Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Inhalt springen
InstagramRSSPrint

Kristóf Bálint: "Nur wer gut zuhört, kann auch verstehen"

Der neue Generalsuperintendent für den Sprengel Potsdam, hat eine offene Tür für Menschen mit Sorgen und Nöten – und für Menschen mit Ideen und Visionen. Im Interview mit ekbo.de legt er sein Amtsverständnis dar.

Kristóf Bálint, Generalsuperintendent für den Sprengel Potsdam; Foto: Martin Kirchner
Kristóf Bálint, Generalsuperintendent für den Sprengel Potsdam; Foto: Martin Kirchner

ekbo.de: Herr Bàlint, Sie haben angekündigt, als Zuhörer und Vermittler das Amt zu gestalten – nun haben Sie mitten im Lockdown übernommen. Wie gestaltet sich die tägliche Arbeit unter diesen erschwerten Bedingungen?

Kristóf Bálint: Sie gestaltet sich erwartungsgemäß herausfordernd. Aber das ist diese Zeit der Pandemie ja für jede und jeden. In den ersten Tagen und auch in den nächsten Wochen nehme ich Kontakt zu den Kirchenkreisen und den Beauftragten der ARU (Arbeitsstellen für Religionsunterricht) auf, besuche die Superintendenten bzw. die Vorsitzenden der Kollegialen Leitungen sowie die  Leiterinnen der ARU  unter Einhaltung der AHA-Regeln, um mir einen Überblick zu verschaffen. Da ich von außen, d.h. aus einer anderen Landeskirche komme, möchte ich die Situation in den Kirchengemeinden, den Kirchenkreisen, den ARUs, der EKBO ganz genau kennenlernen, verstehen und dann auch aktiv mitgestalten. Das setzt das Zuhören voraus, denn nur wer gut zuhört, kann auch verstehen. Nur wer versteht, kann auch wahrnehmen. Nur wer wahrnimmt, kann die vielen Wahrheiten gemeinsam mit den Menschen zu einem objektiveren Ganzen zusammensetzen und miteinander die notwendigen Schlüsse ziehen und Veränderungen gemeinsam gestalten.
Das spricht auch die Aufgabe des Vermittlers an, die diesem wichtigen Amte innewohnt und die sehr oft übersehen zu werden droht. Vermittlung zwischen Kirchenleitung und Kirchenbasis. Zwischen Kirchenkreisen. In Konfliktfällen zwischen Personen und Institutionen. Zwischen verschiedenen, z.T. gegenläufigen Interessen. Zwischen den vermeintlich „denen da unten“ und „denen da oben“. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Zur Arbeit und den Terminen vor Ort gehört auch das zuweilen wenig kurzweilige Lesen der Protokolle der verschiedenen Gremien der letzten Monate. Hier sind gut Zusammenhänge verstehbar und da ist es hilfreich, dass ich durch die äußere Situation des Shutdowns zur Lektüre komme.

ekbo.de
: Wenn Sie Ihre Art zu arbeiten mit einem Buch der Bibel oder mit einem Bibelzitat beschreiben würden – welches wäre dies und warum?

Kristóf Bálint: Wenn es ein von mir bevorzugtes biblisches Buch gibt, das alle die menschlichen Erfahrungen anspricht, dann ist es für mich Hiob. In ihm sind alle menschlichen Abgründe und Höhenflüge abgebildet, die ich mir vorstellen kann. Beispielhaft die demütige Annahme seines Loses durch Hiob; die rebellierende, infrage stellende (und ihn letztlich verratende) Rolle seiner Frau; die kluge und weitsichtige, die theologisch sicher auf der Höhe seiner Zeit befindliche Diskussion wiedergebende Rolle der Freunde Hiobs, die sich im Schweigen als Freunde erweisen und dann doch in die Rolle der das Unerklärbare erklärenden Zeitgenossen flüchten, weil sie die menschliche Herausforderung scheuen, einfach mal still zu sein, das Leid mit auszuhalten und zu tragen, bar jeder (scheinbar) logischen Erklärungsversuche. Mein Ansatz ist darum bemüht, dass mir in einem Gestaltungs-,Gesprächs- oder sonstigen Prozess niemand den Satz sagt, den Hiob seinen Freunden zumutet und der sich in Hi 12,2* finden lässt.

ekbo.de
: Was sehen Sie als größte Herausforderung für den Sprengel Potsdam in den kommenden Jahren?

Kristóf Bálint: Es gibt davon Viele, manche erahne ich nur. Vieles, was den Sprengel Potsdam herausfordern wird, ist den beiden anderen Sprengeln ebenso gemein und keine genuine Herausforderung des Sprengels Potsdam allein. Ich sehe meine Aufgabe darin, gemeinsam mit den Christen im Sprengel die Aufgaben zu lokalisieren, sie zu analysieren, nach Lösungsansätzen zu suchen, sie in größtmöglicher Einheit und beherzt anzugehen. Ich möchte dabei vor nichts die Augen verschließen, aber vor lauter Zählsorge nicht die Sorgen der Menschen und die Seelsorge vergessen. Die Tür der GenSuptur stehen offen für Menschen, die Sorgen und Nöte aber auch Ideen und Visionen haben. Das möchte ich gern sagen, damit die offenen Türen wahrgenommen und „eingerannt“ werden und wir neue Impulse setzen in der gemeinsamen Arbeit, Bewährtes fortsetzen und vielleicht auch hybride Lösungen aus Alt und Neu finden.
Es soll aber auch Zeit zur Klage sein, damit wir die Prozesse auch wirklich durchlaufen. Aus der Trauerarbeit ist mir wichtig, dass Zeit sein muss um Schönes, Bewährtes, Liebgewordenes, Vertrautes aber eben auch Vergangenes zu betrauern. Vorher können wir uns Neuem nicht öffnen.
Und ich bin überzeugt, dass es dieses Potential gibt. Gerade jetzt, in der Zeit des Shutdowns wird klar, dass wir uns nicht selbst tragen und Halt geben können. Viele der merkwürdigen Ansätze und Erklärungsversuche unserer Tage sind mitgespeist aus der Tatsache, dass Menschen ihren Halt im Glauben verloren haben und nichts an diese Leerstelle trat was trägt. Wenn wir überzeugend sind, gerade jetzt, wenn wir ausstrahlen, dass, wer in Christus gegründet ist vor gar nichts Angst haben muss, dann kann das Menschen ermutigen und neugierig machen auf das, was uns trägt. Aber das setzt eine Selbstvergewisserung im Glauben voraus, die Paulus in der Frage gipfeln lässt „Tod, wo ist Dein Sieg? Tod, wo ist Dein Stachel?“ (I Kor 15,55). Bei meiner Vorstellung in Potsdam habe ich gesagt, dass wir miteinander (Ehren- und Hauptamtliche) über unseren Glauben reden und uns austauschen müssen, neben allen modernen methodischen Ansätzen wieder verstärkt den Blick in die Heilige Schrift werfen, um nach gemeinsamen und tragenden Antworten zu suchen. Es ist meine Überzeugung und meine Lebenserfahrung, dass wir dort die notwendigen Antworten finden, die wir miteinander bedenkend für in unser Leben fallen lassen können. ER wird dafür sorgen, dass sie viel Frucht bringen.

ekbo.de: Wo wollen Sie Schwergewichte in Ihrer Arbeit setzen?

Kristóf Bálint: Das ist, angesichts der Einschränkungen, keine leichte Frage. Zuerst glaube ich, dass wir gut daran tun, uns nicht in der Vorstellung zu wiegen, dass es eine Zeit „nach Corona“ geben wird, so wie es eine Zeit „vor Corona“ gab. Es ist wichtig, dass wir uns dieser Wahrheit stellen, damit wir nicht mit falschen Grundkonstanten starten. Es wird eine Zeit „mit Corona“ geben, die uns zu gestalten aufgetragen ist. Es gibt ja auch eine (schon geraume) Zeit mit Ebola, mit HIV, mit Hepatitis C. Das ist also nicht resignativ gemeint, sondern schlicht ehrlich. Im Gegensatz zu diesen drei Beispielen gibt es hier jetzt schon Impfstoffe. Jedoch nur, weil viele Länder viele Mittel aufgebracht haben, um in kurzer Zeit einen Impfstoff zu entwickeln.
Mit dieser Grundannahme können wir die Lehren aus dieser zurückliegenden Zeit (aktuell ja schon zehn Monate) ziehen. Was hat uns da geholfen? Was hat uns stark gemacht? Wie haben wir Menschen erreicht? Und viele weitere Fragen mehr. Das sollten wir in allen Kreisen und unseren Gremien von Kirchengemeinde bis zur Landeskirche durcharbeiten und Schlüsse daraus ziehen. Das mag in der Prignitz andere Ergebnisse zeitigen als in der Uckermark oder der Mittelmark-Brandenburg bzw. in Barnim. Wenn Sie dort passen und helfen, die Menschen mit dem vertraut zu machen, was uns trägt, dann haben wir viel erreicht.
Dabei braucht es unbedingt ein Miteinander von Ehren- und Hauptamtlichen. Auf beiden liegt mein Augenmerk. Mir ist wichtig, dass wir das selbstverständlich zusammensehen. Die wachsende Selbstverständlichkeit wünsche ich mir in der nächsten Zeit, denn wir konnten überall dort hilfreich wirken, wo wir das Verbindende betont und gelebt haben. Das fortzusetzen ist die wichtigste Aufgabe, eine Aufgabe die unser aller Engagement braucht. Da ist jede und jeder wichtig, mit all seinen Gaben und Vorstellungen. Wenn wir das ausstrahlen, werden wir erleben, dass Menschen „die Schwelle“ der Kirche nicht mehr als so hoch und für unüberwindbar halten.

ekbo.de: Was wünschen Sie sich für Ihre Arbeit in der nächsten Zeit?

Kristóf Bálint: Es ist gar nicht viel nötig: zuerst G‘TTes Segen, daran ist alles gelegen. Dann viel Offenheit, Ehrlichkeit, Herzlichkeit und Bereitschaft, sich auf (neue) Wege einzulassen und darauf zu vertrauen, dass wir nie allein sind, dass G’TT mitgeht und trägt und gelingen lässt, was in der Gewissheit SEINER Gegenwart geschieht. Mehr braucht es nicht in der Gemeinschaft der Menschen, die auf mehr als sich selbst vertrauen und deshalb nicht verlassen sind/werden.

* Hiob 12,2: Ja, ihr seid die Richtigen, mit euch wird die Weisheit sterben.

Zur Person: Der 1965 in Budapest geborene Kristóf Bálint hat am 1. Januar 2021 sein Amt als Generalsuperintendent für den Sprengel Potsdam angetreten. Von 2012 bis 2020 war er Superintendent im thüringischen Kirchenkreis Bad Frankenhausen-Sonderhausen (Evangelische Kirche Mitteldeutschland). Er wuchs in der DDR auf, erhielt keine Zulassung zum Abitur, wurde von der Staatssicherheit beobachtet und war in der Jungen Gemeinde tätig. Er machte eine Kochlehre und eine Ausbildung zum Diakon. Nach dem Mauerfall studierte er in Jena Theologie und wurde 2001 ordiniert. Er arbeitete auf verschiedenen Gemeindepfarrstellen und  in der Gefängnisseelsorge.