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„Es gibt viele Arten von Verbundenheit“

Bischof Christian Stäblein zu sinkenden Mitgliederzahlen

Bischof Christian Stäblein. Foto: EKBO, Matthias Kauffmann
Bischof Christian Stäblein. Foto: EKBO, Matthias Kauffmann

Die EKBO verzeichnet auch für das Jahr 2019 eine gesunkene Anzahl ihrer Kirchenmitglieder. Die Kirchenaustritte sind, wie in allen anderen Evangelischen Landeskirchen in Deutschland, auf einem sehr hohen Niveau. Fast gleich geblieben ist dagegen die Anzahl der Menschen, die in die Kirche eingetreten sind.

2019 waren 914.260 Menschen Mitglieder der EKBO. Das zeigt die Mitgliederstatistik, die sich aus Daten der Meldebehörden der Bundesländer zum Stichtag am 31. Dezember 2019 ergibt. Insgesamt ist die Mitgliederzahl der EKBO im vergangenen Jahr um 2,9 Prozent gegenüber dem Jahr 2018 gesunken, das entspricht einem Rückgang um 26.885 Mitglieder. Die Anzahl der Kirchenaustritte hat sich im Vergleich zum Vorjahr noch einmal deutlich erhöht. So traten 15.922 Menschen aus der Landeskirche aus – 16,4 Prozent mehr als im Vorjahr (2018: 13.318). Im selben Zeitraum wurden 4.838 Kinder und Erwachsene getauft (2018: 5.851) und 4.515 Jugendliche konfirmiert (2018: 5.273).

Annähernd stabil geblieben ist die Anzahl derjenigen, die in die EKBO eingetreten sind: 2019 entschieden sich 1.012 Männer und Frauen für eine Kirchenmitgliedschaft, im Vorjahr waren es 1.046.

Bischof Christian Stäblein zu den Zahlen:

ekbo.de: Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Kirchenmitglieder in der EKBO erneut zurückgegangen. Was denken Sie, woran das liegt?

Christian Stäblein: Die Zeiten, in denen wir von den Mitgliederzahlen her selbstverständlich Volkskirche waren, sind vorbei und zwar schon längst. Wir werden weniger, das ist offensichtlich. Und das hat viele Gründe. Es gibt eine generelle Kritik an großen Institutionen, die Gesellschaft wird säkularer und es gibt ein Unbehagen, sich langfristig zu binden. Das betrifft nicht nur die Kirchen, sondern auch Gewerkschaften oder Parteien. Manche müssen oder wollen Geld sparen. Und bei vielen, das will ich gar nicht schön reden, gibt es eine Entfremdung von der Kirche. Das schmerzt mich natürlich besonders. Und ja, wir fragen uns, ich frage mich: Warum ist das so, was können wir dagegen tun?! Wir sind ja auch als Kirche im Umbruch. Wir stellen unsere Organisationsformen und unsere Angebote auf den Prüfstand. Was ist nicht mehr zeitgemäß? Was suchen Menschen in der Kirche und was vermissen sie? Wie können wir Glauben so kommunizieren, dass wir Menschen damit erreichen? Wir sind auf dem Weg - der ist nicht immer einfach, aber bietet natürlich auch eine Menge Chancen. Da sind wir froh über jeden und jede, die sich bewusst dafür entscheiden in der Kirche zu sein. Jedes Jahr treten etwa 1.000 Menschen in die EKBO ein, weil sie hier eine Heimat finden. Mit all denen, die bei uns sind – sei es stark verbunden oder auch distanziert-interessiert – wollen wir Kirche im Aufbruch sein.

ekbo.de: Mit den Mitgliederzahlen sinken auch die Einnahmen für die EKBO. Corona macht es nicht besser. Wie gehen Sie damit um?

Christian Stäblein: Das ist ja ein Prozess, in dem wir uns schon länger befinden. Wir legen Strukturen zusammen, überlegen uns, welche unserer Arbeitsbereiche Priorität haben und welche wir – wenn auch mit großem Bedauern – streichen müssen. Es wird vermutlich noch größere Einschnitte geben. Wir müssen vieles loslassen, was uns lieb und teuer ist. Die Augen davor zu verschließen, geht aber auch nicht, was zu tun ist, muss getan werden. Und zwar: kreativ, klug, transparent, fair und besonnen. Was mir besonders wichtig ist: Unser Fokus darf nicht auf diesen inneren Prozessen liegen, wir wollen uns nicht um uns selber drehen. Wir wollen  Kirche so umzubauen, dass wir Gottes Wort gut und vernehmbar verkünden und leben können, dass wir dabei immer auch Stimme für die sind, die am Rand stehen und sonst nicht gehört werden. Dieser Auftrag ist heute so wichtig wie vor 2.000 Jahren.

ekbo.de: Sollte sich eine Kirche des 21. Jahrhunderts an Mitgliedschaftszahlen messen lassen?

Christian Stäblein: Nein, das würde ich nicht sagen. Es gibt heute einfach andere Arten von Verbundenheit und Zugehörigkeit. Manche sind ja auch in der Kirche, obwohl sie sagen, sie glauben nicht, einfach weil sie das soziale Engagement der Kirche gut finden und unterstützen wollen. Dann gibt es sehr viele, die glauben an Gott und Jesus Christus, wollen aber nicht zur Institution Kirche gehören. Durch die vielen digitalen Angebote, die wir inzwischen haben, erreichen wir viele Menschen, die vielleicht nie einen Fuß in eine Kirche setzen würden. Andere wiederum finden Stille und Einkehr in einem Gotteshaus, ohne dass sie von sich behaupten würden, dass das für sie viel mit Gott zu tun hat. Manche trägt die Gemeinde und die Kirche durch das Leben, andere suchen hier vielleicht in bestimmten Lebensphasen Kontakt. Die Bedürfnisse sind einfach sehr unterschiedlich. Wir als Kirche wollen und müssen lernen, darauf noch flexibler einzugehen. Das Bedürfnis nach Spiritualität wird ja nicht geringer, im Gegenteil. Wir werden auch im 21. Jahrhundert da sein, mit Seelsorge, mit Gemeinschaft und Sorge für den Nächsten und vor allem dem Hören auf Gottes Wort.

Mehr Zahlen und Fakten der EKBO finden Sie hier

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Zu den sinkenden Mitgliederzahlen der EKD 2019 geht es hier